Chinese Lunar New Year reception at the Great Hall of the People in Beijing
MERICS Briefs
MERICS China Essentials
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Der Nationale Volkskongress + Nachhaltiges Wachstum + Staatliche Unternehmen

Die „Zwei Sitzungen“: Nationalstolz, Innovation, Autarkie – und harter Kurs in Hongkong

Das Frühlingsfest ist vorbei, und das wichtigste Ereignis des politischen Kalenders in China steht vor der Tür: die „zwei Sitzungen“, die Plenarsitzung des Nationalen Volkskongresses (NVK) und die Politische Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes beginnen ab dem 4. März. Mehr als 5000 Delegierte reisen dazu nach Beijing – für viele im Covid-Lockdown verharrende Länder ein ungewöhnlicher Vorgang. Der NVK in diesem Jahr ist aus mehreren Gründen besonders: ein Jahr nach der – auch in China noch nicht ganz überstandenen Pandemie – will die Führung unter Staats- und Parteichef Xi Jinping im 100. Gründungsjahr der Kommunistischen Partei Chinas (KPC) demonstrativ Selbstbewusstsein und Stärke zeigen. Einblick in die Prioritäten der chinesischen Politik im Jahr 2021 wird der Arbeitsbericht von Regierungschef Li Keqiang geben. Doch im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht der 14. Fünfjahrplan, der von den Delegierten offiziell abgesegnet werden soll.

Erreichte Ziele feiern – ehrgeizige Visionen formulieren

In den Entwürfen des Fünfjahrplans feiert die chinesische Führung ihre Erfolge der vergangenen Jahre: Trotz Pandemie wurde das für 2021 gesteckte Ziel erreicht, für die Menschen in China einen moderaten Wohlstand zu erreichen. Bis 2035 soll die „sozialistische Modernisierung“ vollendet sein, auf dem NVK wird die Führung, so die Erwartung, weitere „Visionen für 2035“ vorstellen. Bis dahin soll sich zum Beispiel die Wirtschaftsleistung des Landes verdoppeln. Auf dem Volkskongress wird genauer zu erfahren sein, welche Investitionen und wirtschaftspolitischen Weichenstellungen China diesem Ziel näherbringen sollen.

Sorge um Inlandsnachfrage – Streben nach qualitativem Wachstum

Trotz der im internationalen Vergleich stabilen Wachstumszahlen sorgt sich Chinas Führung um die Inlandsnachfrage. Hier werden mehrere Maßnahmen aufgelegt, um vor allem den Konsum auf dem Land zu stärken. Die Formulierung konkreter Wachstumsziele ist auf dem Volkskongress nicht zu erwarten. Der chinesischen Führung sind die Unwägbarkeiten der Folgen der Covid-Krise allzu bewusst. Die erhöhte Volaltilät macht das Setzen von Wachstumszielen zu einer riskanten Sache. Doch es ist vor allem der komplexe Umbau des Wirtschaftsmodells, der die chinesische Führung vom früheren Fokus auf reine Wachstumsziele abweichen lässt. In China gibt es eine anhaltende Debatte über eine Abkehr von BIP-Wachstumszielen zugunsten eines qualitativen Wachstums. Die Erneuerung der industriellen Basis, das Aufschließen zu industrialisierten Volkswirtschaften und technologische Erneuerung formuliert auch der kommende Fünfjahrplan als zentrale Vorhaben.

Hightech-Branchen und Klimaziele im Mittelpunkt – Hongkong im Visier

Im Zentrum stehen technologische und wissenschaftliche Innovation sowie die Umsetzung von Klimazielen: Bis 2060 sollen zum Beispiel die Kohlendioxid-Emissionen auf null gefahren werden, eine Herausforderung für ein Land, das seine Energiezufuhr heute noch vor allem aus fossilen Brennstoffen wie Kohle speist. Auch angesichts der Erfahrung aus dem Handelskrieg mit den USA will China unabhängiger werden von internationalen Zulieferern von Waren und Knowhow, zum Beispiel in der für die Digitalisierung unverzichtbaren Halbleiter-Branche. Die Entwicklung des Hightech-Sektors, „qualitatives Wachstum“ und Autarkie sind das Gebot der Stunde, das dürfte auf dem Volkskongress deutlich werden. Auch das – im westlichen Ausland besonders aufmerksam beobachtete – Thema Hongkong wird die Delegierten Berichten zufolge beschäftigen. Ein Jahr ist vergangen, seit der NVK das Nationale Sicherheitsgesetz ankündigte und eine weitreichende Einschränkung der Freiheiten Hong Kongs einläutete. Nun scheint eine Überarbeitung des Wahlrechts geplant.

NVK wird Kontrolle der Zentralregierung über Hongkong voraussichtlich ausweiten

Die Fakten: Bei den anstehenden Sitzungen wird Hongkong nach Berichten parteistaatlicher Medien erneut auf der Tagesordnung stehen. Xia Baolong, Direktor des Staatsratsbüros für Hongkong- und Macao-Angelegenheiten, betonte kürzlich, Hongkong müsse von "Patrioten" regiert werden. Angehörige der Legislative, Judikative und Verwaltung Hongkongs sollen nach dieser Auffassung das chinesische Mutterland „lieben“ und die Kommunistische Partei unterstützen. Einem neuen Gesetzesentwurf der Hongkonger Regierung zufolge sollen alle Mitglieder der Gesetzgebungsorgane und der Bezirksräte der chinesischen Sonderverwaltungszone einen Loyalitätseid schwören. Wer diesen Eid bricht, wird für fünf Jahre suspendiert. Die EU-Außenminister berieten am Montag über mögliche Reaktionen auf die Verschärfung der Lage in Hongkong, darunter beispielsweise die Aufhebung von Auslieferungsverträgen.

Der Blick nach vorn: Chinas parteistaatliche Medien beklagten in den letzten Wochen auffallend häufig "Schlupflöcher" in Hongkongs Wahlsystem, welche "Nicht-Patrioten" ins Amt brächten und die nationale Sicherheit gefährdeten. Sie forderten eine Überarbeitung des Hongkonger Wahlrechts. Berichten zufolge will Chinas Führung einen Gesetzentwurf vorlegen, mit dem oppositionelle Gruppen aus dem Wahlkomitee für den Regierungschef in der Sonderverwaltungszone verdrängt würden. Es ist zu erwarten, dass auch dieser Kontrollzugriff auf Hongkong von den Delegierten mit großer Mehrheit bejaht würde.

MERICS-Analyse: "So weitreichend es auch ist, das Nationale Sicherheitsgesetz vom letzten Jahr war nie als das einzige Werkzeug gedacht, um Dissens zu unterdrücken und die Herrschaft über Hongkong zu zentralisieren. Flankierende Maßnahmen sind schon lange in Arbeit. Die EU muss sich darauf einstellen, dass der NVK seine gesetzgeberische Macht nutzen wird, um die politische Ordnung Hongkongs weiter zu verändern." Katja Drinhausen, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei MERICS.

Medienberichte und Quellen:

Nachhaltige Entwicklung wird Priorität im kommenden Fünfjahrplan

Die Fakten: Seit Xi Jinping das Ziel der CO2-Neutralität bis 2060 für China ausgegeben hat, scheint die Reduzierung von Kohlenstoffemissionen in China an Fahrt zu gewinnen. In einem in dieser Woche veröffentlichten Schreiben betont der Staatsrat die Bedeutung einer „grünen“ Entwicklung, einschließlich der Förderung der Kreislauf- und kohlenstoffarmen Wirtschaft. In den vergangenen Wochen haben mehrere staatliche Betriebe, darunter große Unternehmen aus der Energie- und Schwerindustrie, Zeitpläne für die Reduzierung ihrer Kohlenstoffemissionen angekündigt. Im Dezember hatte Beijing angekündigt, den Emissionshöhepunkt vor 2030 erreichen zu wollen. Im Januar veröffentlichte es die Grundregeln für ein Nationales Emissionshandelssystem.

Der Blick nach vorn: Bislang ist Chinas Erfolgsbilanz bei der Umsetzung klima- und umweltfreundlicher Maßnahmen durchwachsen. Das Land ist zwar bei weitem führend bei der Ausweitung der erneuerbaren Energien, baut aber auch noch in großem Umfang Kohlekraftkapazitäten auf. Der neue Fünfjahrplan müsste einen echten Wandel hin zu einer grünen Politik und effizienten Umsetzung auf lokaler Ebene einleiten, damit China seine ehrgeizigen Klimaziele auch erreichen kann.

MERICS-Analyse: Die größten Herausforderungen in der Klima- und Umweltpolitik bestehen in den stark umweltbelastenden Sektoren Energie, Stahl und Zement. Diese Industrien sind die Treiber der angebotsseitigen Reformen, die Beijing forciert, um wirtschaftlichen Abschwüngen entgegenzuwirken. Zudem ist die nationale Klima- und Umweltpolitik nicht mit den notwendigen Ressourcen und Befugnissen ausgestattet, um gesteckte Ziele auf lokaler Ebene durchzusetzen.

MERICS-Experte Nis Grünberg: "Der Schlüssel zu einem erfolgreichen grünen Wandel sind nicht nur nationale Ziele. Entscheidend ist auch, dass alle wichtigen Akteure im System gezwungen sind, diese einzuhalten. Kürzlich hat ein ranghohes Inspektionsteam einen Bericht veröffentlicht, in dem es die Zurückhaltung der Energieverwaltung bei der Kontrolle der Kohlekraft kritisiert. Das ist ein hoffnungsvolles Zeichen dafür, dass die Umsetzungslücke zwischen den nationalen politischen Ambitionen und den lokalen Realitäten angegangen wird."

Mehr zum Thema: "Grünes" China: Beijings Strategien für eine nachhaltige Entwicklung. MERICS China Monitor von Anna Holzmann und Nis Grünberg (in englischer Sprache).

Medienberichte und Quellen:

Chinas Staatsfirmen investieren für Planziele in Forschung und Entwicklung

Die Fakten: Chinas 96 größte staatseigene Betriebe (SOE) wollen mehr in Forschung und Entwicklung investieren, um ihre Produktion qualitativ hochwertiger zu machen. „Die Unternehmen stellen sich auf den 14. Fünfjahrplan ein“, sagte der Leiter der Behörde für die Kontrolle von Staatsvermögen (SASAC), Hao Peng. Der Fünfjahrplan für die Jahre 2021 bis 2025, der auf dem NVK verabschiedet werden soll, fokussiert auf den Ausbau einheimischer Innovation in Schlüsselindustrien. Bereits auf dem 5. Plenum der KPC im vergangenen Oktober war Innovation als „strategischer Stützpfeiler“ für die nationale Entwicklung definiert worden. Sie nimmt im Bemühen um Modernisierung von Chinas Wirtschaft eine zentrale Rolle ein. Chinas Industrie- und Technologiepolitik zielt auf größere Eigenständigkeit. Zum Beispiel sollen chinesische Unternehmen ihre Kapazitäten verbessern, um in der globalen Wertschöpfungskette aufzusteigen.

Der Blick nach vorn: Inwieweit es China gelingt, sich in strategisch wichtigen Technologien wie Halbleitern zu emanzipieren, hängt auch von der Politik von US-Präsident Joe Biden ab, nachdem sein Vorgänger zahlreiche Maßnahmen ergriffen hatte, um Technologietransfers nach China zu erschweren. China hat ehrgeizige Ziele im Fünfjahrplan formuliert. Bislang gibt es im Bemühen, im Bereich Halbleiter die einheimische Produktion zu entwickeln, nur verhaltenen Fortschritt. In manchen Gebieten hat China vermutlich eigenständige Produktions- und Innovationskapazitäten aufgebaut, doch an der globalen technologischen Spitze mitzumischen bleibt schwierig. Beijing will nicht andere nationale Innovationssysteme nachahmen, sondern ein eigenes effizientes System entwickeln, das mit den Zielen eines „Sozialismus mit chinesischen Eigenschaften“ vereinbar ist. Zu diesen besonderen Eigenschaften gehören das sogenannte Top-level Design von Führungsprozessen und die Herrschaft der Kommunistischen Partei Chinas.

MERICS-Analyse: “China wird nicht in allen Bereichen der Innovation gleichermaßen erfolgreich sein. Insbesondere bei Halbleitern hängt vieles davon ab, ob und wie die USA Exportkontrollen auch mit Hilfe ihrer Verbündeten umsetzen können. Selbst wenn China die einheimische Innovationsfähigkeit voranbringt, können chinesische Unternehmen derzeit ihre bestehenden Knowhow-Lücken ohne Zugang zu ausländischen Technologien kaum schließen.” MERICS-Experte John Lee.

Mehr zum Thema:The rise of geoeconomics and the need for a resilient European semiconductor industry”. Kurzanalyse von Brigitte Dekker und Anna-Lena Rhiem, Teilnehmerinnen des MERICS European China Talent Programms 2020.

Medienberichte und Quellen:

Volkskongress wird über Stärkung des Binnenkonsums beraten

Die Fakten: Inmitten von Reisebeschränkungen haben die chinesischen Verbraucher in der diesjährigen Feiertagswoche rund um das Neujahrsfest etwa 821 Milliarden Yuan (~EUR 105 Milliarden) für Einkäufe und Essen ausgegeben. Das ist ein Anstieg von 28,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr, aber von nur 4,9 Prozent verglichen mit dem Jahr 2019. Die Ausgaben liegen damit weit unter den jährlichen Wachstumsraten von rund zehn Prozent vor der Coronavirus-Pandemie. 2020 war der Einzelhandel die Schwachstelle der wirtschaftlichen Erholung in China und ging um 3,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurück.

Der Blick nach vorn: Die Stärkung des Binnenkonsums wird eine der wichtigsten wirtschaftlichen Prioritäten der „Zwei Sitzungen“ sein. Aus politischen Ankündigungen der vergangenen Monate deutet sich bereits an, dass Chinas Führung das nachfrageorientierte Wirtschaftswachstum in den nächsten fünf Jahren ankurbeln will, ein wichtiger Bestandteil der "Strategie der zwei Kreisläufe“. Der Konsum in den wirtschaftlich oft schwächeren ländlichen Regionen steht besonders im Zentrum. Weitere Schwerpunkte sind die Steigerung der Nachfrage nach Autos, Haushaltsgeräten und in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie.

MERICS-Analyse: Obwohl sich der Binnenkonsum seit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie deutlich erholt hat, bleibt er eine Herausforderung auch für die Phase des neuen Fünfjahrplans. Eine deutliche Stärkung des nachfrageorientierten Wachstums würde eine deutliche Umverteilung der Einkommen erfordern, um die Kaufkraft der Haushalte zu erhöhen. Eine nachhaltig stabile Inlandsnachfrage ist seit langem eine der obersten politischen Prioritäten Beijings und war auch in früheren Fünfjahrplänen ein wichtiges Thema. Dass China hier bislang keine signifikanten Fortschritte gemacht hat, zeigt, wie schwirig es sein wird, dieses Ziel zu erreichen.

Medienberichte und Quellen:

VIS-À-VIS: Plamen Tonchev zum 17+1-Treffen: „Die große Liebe ist vorbei“

Plamen Tonchev ist Leiter der Asienabteilung am „Institute of International Economic Relations“ (IIER) in Athen. Als MERICS European China Policy Fellow beschäftigt er sich mit der Initiative „Neue Seidenstraße“ (BRI) und dem Einfluss chinesischer Infrastrukturprojekte auf den Klimawandel.

Die Fragen stellte Grzegorz Stec, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am MERICS.

Eigentlich ist das jährliche Treffen von 17 mittel – und südosteuropäischen Staaten (MOE) mit der Regierung in Beijing (17+1), ein Prestige-Format für China. Warum sind die Ergebnisse des letzten Gipfels von Anfang Februar dennoch so mager?

Chinas Motivation für den Gipfel ist eher öffentliche Sichtbarkeit als Inhalte. Es will politisch Akzente setzen. Dass der Gipfel überhaupt stattgefunden hat, könnte Beijing positiv bewerten. Doch das Ergebnis entsprach nicht den Erwartungen: Sechs der MOE-Länder nahmen nur mit Vertretern auf Ministerebene teil, trotz Anwesenheit von Xi Jinping. Er hat klar seinen Einfluss überschätzt. Ursprünglich war Beijings Tagesordnung viel länger, aber das Treffen brachte nur eine eher kurze Liste von geplanten Aktivitäten hervor. Auf hochtrabende Manifeste, die bei anderen China-MOE-Gipfeln präsentiert wurden, wurde verzichtet. Die Entwicklung von Infrastrukturprojekten steht nicht mehr im Mittelpunkt der Zusammenarbeit. Stattdessen fokussierte China auf Handel, der Lieferung (chinesischer) Impfstoffe und Kultur. Vielleicht, weil Beijing seine früheren Zusagen für Investitionen in Infrastruktur nicht einhalten konnte. Auch äußerten einige europäische MOE-Staaten Bedenken zu wachsenden Handelsdefiziten mit China. Erwähnenswerte Ergebnisse sind die Vereinfachung des Zollverfahrens für chinesische Waren, die von Piräus aus über den Westbalkan-Korridor verschifft werden.

Haben die osteuropäischen Staaten Zugeständnisse erhalten?

Beijing hat nur zugesagt, in den nächsten fünf Jahren Agrarprodukte aus den MOE-Staaten im Wert von bis zu USD 170 Milliarden Dollar zu importieren - wobei abzuwarten bleibt, inwieweit dies eingelöst wird. Die kulturelle Zusammenarbeit wird von den MOE-Staaten nicht als Priorität angesehen. Und die Förderung von chinesischen Impfstoffen ist kein Zugeständnis, sondern zunehmend Teil der chinesischen Außenpolitik. Ungarn und Serbien haben bereits zugestimmt, chinesische Impfstoffe zu importieren, und andere MOE -Länder könnten sich ihnen anschließen.

Was sagt uns das Ergebnis des Treffens über die Zukunft des 17+1-Formats?

Unterm Strich fällt die Bilanz für China eher negativ aus. Das Format wird von vielen MOE-Ländern nicht mehr angenommen - ich würde sagen, die große Liebe ist vorbei. Es gibt aber ein Nord-Süd-Gefälle: Insbesondere die baltischen Republiken und Polen sehen das Format kritischer, manche sogar feindselig. In Südost-Europa ist Chinas Image besser, die Akzeptanz für seine Initiativen höher. Neben Serbien machen sich auch andere Länder in Südosteuropa noch Hoffnungen auf eine Zusammenarbeit. Aussteiger aus 17+1 könnte es geben, zum Beispiel im Baltikum. Ganz auflösen wird sich das Format dennoch nicht, das wäre ein zu großer Gesichtsverlust für Beijing. Dieser Gipfel wird wahrscheinlich zu einer Bestandsaufnahme in Chinas Führungsetagen führen. China wird versuchen, den MOE-Ländern bessere Angebote zu machen, um bei Fehlentwicklungen nachzusteuern. Für die Zukunft gibt es eine Reihe von Optionen: Das Format könnte auf die Ministerebene reduziert werden, Kooperationsmodalitäten und subregionale Mechanismen, z.B. Westbalkan+1, oder die Gipfeltreffen könnten runtergefahren oder die Teilnahme freiwillig werden. Diese gesichtswahrenden Maßnahmen würden es China und seinen verbleibenden Unterstützern in den MOE-Staaten erlauben, das Format über Wasser zu halten, auch wenn es an Zugkraft verliert.

Dieses Interview ist ein Auszug aus einem Podcast mit Plamen Tonchev, den Sie hier anhören können:

Plamen Tonchev on 17+1’s past, present and future

METRIX

6,8%

Die chinesische Regierung wird beim Nationalen Volkskongress wahrscheinlich kein Wachstumsziel für 2021 benennen, aber MERICS hat eigene Berechnungen angestellt. Basierend auf den von den Statistikbüros der Provinzen gemeldeten BIP-Zahlen und den in den Arbeitsberichten der Provinzen angepeilten Wachstumszielen ergibt sich ein gewichteter Durchschnitt von 6,8 Prozent für das landesweite Wachstum. Die Zahlen der Provinzen lassen sich nicht einfach auf das nationale Gesamtwachstum übertragen. Dennoch deutet diese Übung darauf hin, dass die Provinzen die Chancen der wirtschaftlichen Erholung zurückhaltend sehen.

IM PROFIL: Sun Chunlan: Chinas Vize-Regierungschefin - und die einzige Frau im Politbüro

Wenn bei der Sitzung des Nationalen Volkskongresses der 14. Fünfjahrplan formell verabschiedet, sitzt Sun Chunlan ganz vorne bei den wichtigsten Funktionären des Landes. Sie ist stellvertretende Ministerpräsidentin der Volksrepublik China und die einzige Frau im mächtigen Politbüro. Sie wird den NVK nutzen, die Delegierten zum Kampf gegen das Coronavirus zu ermahnen, damit der politische Fahrplan des Landes für 2021-2025 trotz der Pandemie einen glatten Start hat.

Die 70-jährige, in der chinesischen Führung zuständig für Kultur, Bildung und das öffentliche Gesundheitswesen, ist eine der profiliertesten Politikerinnen Chinas im Kampf gegen die Corona-Pandemie. Anfang 2020 beaufsichtigte sie die Notfallmaßnahmen in Wuhan und koordinierte für mehrere Wochen den Einsatz von Ärzten und Ressourcen in der schwer betroffenen Stadt.

Als einziges weibliches Mitglied des 25-köpfigen KPC-Politbüros ist Sun auch lebender Beweis, dass Mao Zedongs berühmtes Wort von Frauen als „Hälfte des Himmels“ in den erhabenen Hallen von Zhongnanhai immer noch nicht gilt. Und da chinesische Beamte, die älter als 68 Jahre sind, normalerweise keine neue Amtszeit antreten, wird Sun voraussichtlich 2022 in den Ruhestand gehen.

Es gibt nur wenige Frauen, die Sun nachfolgen könnten, um Chinas Top-Ränge weniger männerdominiert zu machen. Nur zwei weitere Frauen haben derzeit ähnliche Machtpositionen inne: Shen Yueyue, die 64-jährige Präsidentin der All-Chinesischen Frauenvereinigung und stellvertretende Vorsitzende des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses, und Li Bin, 66 Jahre alt und Generalsekretärin der Politischen Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes (CPPCC).

Sun hat eine lange Karriere hinter sich: Sie diente gesellschaftlichen Großorganisationen wie der All-chinesischen Gewerkschaftsföderation und hatte führende politische Positionen in den Provinzen Fujian, Tianjin und Liaoning (sie arbeitete dort an der Seite von Premier Li Keqiang) inne. Sie war auch Direktorin der Vereinigten Arbeitsfront des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei und koordinierte die Beziehungen der Partei zu Nichtregierungsorganisationen. Sun wurde im Mai 1950 im Kreis Raoyong, Provinz Hebei, geboren und hat einen Abschluss in Mechanik von der Anshan Industrial Technology Academy, Provinz Liaoning. Sie begann ihre Karriere in einer Fabrik in Anshan und trat 1973, gegen Ende der Kulturrevolution, der KPC bei.

Medienberichte und Quellen: