Pressemitteilung
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Zur Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz nach China

Am 4. November reist Bundeskanzler Olaf Scholz in Begleitung einer Wirtschaftsdelegation nach China. Er ist der erste Regierungschef aus einem westlichen Land, der nach dem 20. Parteitag der KPC Staats- und Parteichef Xi Jinping persönlich besucht. Die Reise ist in Deutschland und Europa umstritten, auch wegen Xis autoritärem Regierungsstil im Inland, seines Bündnisses mit Russland und der außen- und sicherheitspolitisch zunehmend kompromisslosen Linie. 
 

Mikko Huotari, Direktor des Mercator Instituts für Chinastudien (MERICS) kommentiert:  
 

  • Zum Kontext der Reise:

Der Zeitpunkt von Scholz‘ China-Reise ist sensibel. Xi hat sich gerade auf dem 20. Parteitag der KPC zum historischen dritten Mal im Amt des Generalsekretärs bestätigen lassen und seine Machtposition noch einmal mehr gefestigt. In so einer Situation wird ein Besuch des deutschen Bundeskanzlers von China als Bestätigung für Xis Regierung inszeniert werden - weshalb die Reise in der Koalition und manchen europäischen Partnerländern umstritten ist. Scholz ist offenbar bereit, diesen Preis zu zahlen, um eigene Interessen voranzubringen und die von deutschen Unternehmen, die in China stark investiert sind.

Es ist sinnvoll, dass sich Scholz und Xi persönlich besser kennenlernen. Ein direkter Draht zu Beijing kann auch angesichts der drohenden Eskalation des russischen Angriffskriegs in der Ukraine hilfreich sein. Zuletzt haben ehemalige ranghohe Militärs signalisiert, dass auch für China bei einem Einsatz taktischer Atomwaffen eine rote Linie erreicht wäre. Zu viel Optimismus, was die Interessen und Einflussmöglichkeiten Beijings gegenüber Moskau angeht, ist jedoch nicht angebracht. Insbesondere die Möglichkeiten Deutschlands, solche Kalkulationen im Alleingang zu beeinflussen, sollten nicht überschätzt werden.
 

  • Die Aufgabe für Scholz: Klarere Signale setzen und größeren Schaden verhindern 

Es wäre eine verpasste Chance, diesen Moment nicht zu nutzen, in der eigenen Regierung, in Europa und gegenüber China klarzumachen, wohin die deutsche China-Politik geht. Stattdessen sieht es nach mehr Unsicherheit und Uneinigkeit aus, was ein hohes Risiko für den chinapolitischen Kurs bedeutet: Peking wird den Kanzler für eigene Zwecke einspannen wollen, in der Koalition ist das gegenseitige Vertrauen in dieser Frage beschädigt. In Europa bzw. unter den gleichgesinnten Partnern gibt es große Unsicherheit und Zweifel, wie ein deutscher Kurs des „business as usual“ aussieht.

Es wäre hilfreich, den Besuch klarer einzurahmen, mit einer realistischen Klarstellung über dessen Ziele und Bedingungen. Danach wäre eine Information der europäischen Partner und der Koalition ein nötiger Schritt. Gegenüber China muss der Kanzler klare Positionen beziehen zu den Auswirkungen, die Chinas Unterstützung für Russland, eine Aggression gegenüber Taiwan und Pekings Ignoranz gegenüber zentralen Interessen der EU auf die künftigen Beziehungen hat. Nach innen gälte es auch für das Kanzleramt, den laufenden Chinastrategie-Prozess ernst zu nehmen und als Chance zu sehen – immerhin eine Verpflichtung im Koalitionsvertrag. 
 

  • Zur Lage in China nach dem Parteitag:

Scholz kommt in ein China, dass unsere Demokratien systemisch herausfordert. Xis umfassende Idee von „nationaler Sicherheit“ wird auf allen politischen und gesellschaftlichen Ebenen durchgedrückt, und das Ziel der „Wiedervereinigung“ mit Taiwan steht jetzt auch in der Parteiverfassung. Xi sitzt fester im Sattel denn je. Die wichtigsten politischen Weichenstellungen deuten auf einen harten, ideologischen Kurs: Bei der umstrittenen „dynamischen“ Null-Covid-Politik sind nur leichte Neukalibrierungen zu erwarten – wie Ankündigungen bezüglich Erleichterungen für ausländische Unternehmen und den Flugverkehr vermuten lassen. 

Wirtschaftlich muss Chinas Führung schwierige Probleme lösen, Xi setzt aber neue Prioritäten: Die Bevölkerung hat er aufgerufen, sich auf turbulente Zeiten und Verzicht für das größere Wohl einzustellen. Xi will China gegen Krisen innen wie außen wappnen. Er ist bereit, für Stabilität, ideologische und politische Kontrolle geringeres Wachstum hinzunehmen.
 

  • Zu den Chancen und Herausforderungen für die deutsche Wirtschaft in China:

Für China sind deutsche und europäische Unternehmen wichtig, um seine Ambitionen bei der Entwicklung von Hochtechnologie umzusetzen. Ausländischen Firmen mit nützlicher Expertise könnte deshalb noch mehr der rote Teppich ausgerollt werden, um sie in Chinas Innovationssystem einzubinden. Chinas Führung dürfte den Besuch von Scholz nutzen, in diesem Bereich Kooperationen anzubahnen. 

Der Parteikongress hat auch gezeigt, dass ausländischen Unternehmen politische und „Abkopplungs“-Risiken drohen, die es einzukalkulieren gilt. China strebt langfristig nach wirtschaftlicher Eigenständigkeit, je nach Branche müssen sich ausländische Unternehmen darauf einstellen, dass Beijing sie vom einheimischen Markt verdrängen will. Perspektivisch wird auch politische Einflussnahme auf die Privatwirtschaft zunehmen, insbesondere bei Sicherheitsthemen. Der Druck auf Firmen wird wachsen, in ihren Heimatländern chinesische Interessen zu vertreten und für bessere Beziehungen zu werben. 
 

  • Zur künftigen deutschen China-Politik:

Scholz Besuch steht in der Tradition der jahrzehntelang auf Wirtschaftszusammenarbeit fokussierten deutschen China-Politik. Derzeit bahnt sich – auch durch die Erarbeitung einer China-Strategie – ein Kurswechsel an. Diplomatisch priorisiert die Bundesregierung bereits Beziehungen zu anderen Staaten wie Indien und Japan; Unternehmen bewerten Risiken des China-Geschäfts neu und verstärken ihre Aktivitäten in anderen Ländern. China gegenüber braucht es künftig einen harten und nüchternen Realismus, um auszuloten, wo überhaupt noch Gemeinsamkeiten und Möglichkeiten der Zusammenarbeit bestehen. 

 

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