Nationaler Volkskongress verschiebt Jahrestagung wegen Corona-Krise
China Update 4/2020
METRIX
Um die von der Corona-Epidemie arg in Mitleidenschaft gezogene Wirtschaft zu stützen, haben chinesische Banken die selbst für Experten überraschende Rekordsumme von 3,34 Billionen CNY (436,9 Milliarden EUR) an Krediten vergeben. Dies ist das höchste jemals in einem Monat ausgegebene Volumen. Im Dezember waren nach Angaben der chinesischen Zentralbank 1,14 Billionen CNY an Krediten geflossen.
Thema der Woche
Nationaler Volkskongress verschiebt Jahrestagung wegen Corona-Krise
Es ist eine historische Entscheidung: zum ersten Mal seit Jahrzehnten werden die jährliche Sitzung des Nationalen Volkskongresses (NVK) und der Politischen Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes nicht Anfang März stattfinden. Wegen des anhaltenden Ringens um eine Eindämmung der Coronavirus-Epidemie wurden die in China als die „Zwei Sitzungen“ bekannten Treffen vertagt.
Die “Zwei Sitzungen” hatten seit 1995 immer im März stattgefunden. Fast 3000 Delegierte aus allen Landesteilen finden sich normalerweise hierzu in Beijing ein. Am 24. Februar beschlossen 171 Delegierte des Ständigen Komitees des NVK nun die Verschiebung in diesem Jahr, 57 von ihnen wurden per Videokonferenz zugeschaltet. Zudem beschlossen sie ein völliges Verbot des illegalen Wildtierhandels.
Auf der NVK-Jahrestagung wird in der Regel eine Reihe neuer Gesetze beschlossen; außerdem hat das Treffen eine hohe symbolische Bedeutung, die chinesische Führung schwört dort auf politische Stabilität ein und verweist auf ihre Erfolge. Das diesjährige Treffen galt als besonders bedeutend, da China in diesem Jahr seine selbst gesetzten Armutsbekämpfungsziele erreichen will.
Die Vertagung wird dennoch allgemein als sinnvoll angesehen in Anbetracht der anhaltenden Corona-Epidemie und der strengen 14-tägigen Quarantäne-Regelung, die von der Regierung für Reisende erlassen wurde. Auch andere wichtige politische Vorhaben sind durch die Epidemie in Mitleidenschaft gezogen. Es wird jedoch besonders interessant sein zu sehen, wie das offizielle China die Verschiebung der „Zwei Sitzungen“ kommuniziert, da diese im Grunde gegen Verfahrensregeln verstößt.
Staats- und Parteichef Xi Jinping hat sich ungeachtet der Verschiebung in den vergangenen Tagen wieder verstärkt zu Wort gemeldet und als fähiger Krisenmanager zu präsentieren versucht. Am 23. Februar saß er einer nach Angaben chinesischer Medien noch nie dagewesenen Tele-Konferenz vor, in der er sich an 170.000 Kader und Beamte wandte. Das Hauptthema der landesweiten Schalte waren Maßnahmen zur Eindämmung der Epidemie, zum Ankurbeln der Wirtschaft und zur Sicherung der gesellschaftlichen Stabilität.
Wegen der Corona-Krise sind noch weitere politische Veränderungen in China zu erwarten. Beijing hat bereits zwei ranghohe Parteiführer in der am stärksten von dem Ausbruch betroffenen Provinz Hubei entlassen. Weitere dürften folgen. Außerdem sollen die rechtlichen Grundlagen für das Krisenmanagement ausgebaut werden.
MERICS Analyse:
“Die größten Fragezeichen bestehen mit Blick auf die ‚Lektionen‘, die Beijing aus der Krise ziehen wird. Manche davon werden zu begrüßen sein: Investitionen in die Reform des Gesundheitssystems und der Seuchenbekämpfung sind zu erwarten. Sorge bereitet dagegen die Frage, ob Chinas Führung angesichts des zu erwartenden Drucks und möglicher Disruptionen in der Wirtschaft Reformambitionen auf lange Frist zurückstellen wird. Auch steht zu befürchten, dass einige der außergewöhnlichen Maßnahmen zur Krisenbekämpfung wie weitreichende Informationskontrolle und digitale Überwachungstechniken zur Normalität in China werden könnten.” MERICS Direktor Mikko Huotari.
Weitere Einschätzungen in diesem Interview mit Mikko Huotari. MERICS-Experte Nis Grünberg analysiert in einem Blog-Beitrag (Englisch) die Auswirkungen der Corona-Krise auf Chinas politische Landschaft.
China und die Welt
Harsche chinesische Reaktion auf Kritik an Umgang mit Corona-Epidemie
In Nepal hat ein kritischer Artikel über Chinas Umgang mit der Coronavirus-Epidemie einen heftigen Streit zwischen Beijing und den Medien des Himalaya-Staates ausgelöst. Die chinesische Botschaft in Nepal warf nach der Veröffentlichung eines Kommentars unter dem Titel „Chinas Heimlichtuerei hat die Corona-Krise verschlimmert“ in der „Kathmandu Post“ Journalisten, Redakteuren und Verlagen Rassendiskriminierung vor. China behalte sich „weitere Schritte vor“, erklärte der Botschafter.
Die nepalesische Zeitung hatte einen Kommentar des ehemaligen US-NATO-Botschafters Ivo Daalder publiziert, in dem dieser Chinas Intransparenz und Nichthandeln dafür verantwortlich machte, dass „die Möglichkeit einer Epidemie zur Realität wurde“. Daalder stellt darin grundsätzlich die Fähigkeit autoritärer Systeme zur Eindämmung von Krankheitsausbrüchen infrage.
Die chinesische Botschaft empörte sich besonders über die „bösartige Absicht“ hinter einer Fotomontage, die den Artikel illustrierte: diese zeigte Mao Zedong mit einer Gesichtsmaske. Die „Kathmandu Post“ ihrerseits wies in einem Leitartikel die chinesische Erklärung als „Verletzung diplomatischer Gepflogenheiten“ zurück.
Das Virus COVID-19 verbreitet sich derzeit weltweit, in Italien, Südkorea und Iran steigen die Fallzahlen rasant an. Angesichts der Kritik an Chinas verspäteter Reaktion auf die Krise auch im Ausland setzen chinesische Zensoren derzeit alles daran, die Art und Weise, wie die Kommunistische Partei (KPC) die Krise angeht, als vorbildhaft darzustellen.
MERICS-Analyse:
„Die fehlende Transparenz zu Beginn des Ausbruchs hat das Vertrauen in Beijing untergraben und für anhaltende Zweifel an der Verlässlichkeit der von China kommunizierten Zahlen genährt. Vertrauen ist eine wichtige Grundvoraussetzung für internationale Zusammenarbeit in Gesundheitsfragen. Wenn Beijing auch ein Interesse hat, diese globale Krise gemeinsam zu lösen, muss es für einen reibungslosen Informationsfluss sorgen.“ MERICS-Expertin Rebecca Arcesati.
China testet Einschüchterungstaktiken in Europa
Chinesische Botschaften in Europa gehen immer offensiver gegen von der offiziellen Politik Chinas abweichendes Vorgehen vor. Fälle in Tschechien und Estland zeigen, dass dieser Trend nicht nachlässt. In der vergangenen Woche wurde bekannt, dass die chinesische Botschaft in Tschechien im Januar dem ehemaligen Vorsitzenden des Senats, Jaroslav Kubera, mit Konsequenzen für die wirtschaftlichen Interessen des Landes gedroht hatte, sollte er einen geplanten Besuch Taiwans durchführen. In einem Brief drohte die Botschaft, der Besuch werde sich negativ auf tschechische Firmen, wie den Autohersteller Škoda, die Home Credit Group oder den Klavierbauer Petrof, auswirken.
Zur selben Zeit kritisierte die chinesische Botschaft in Estland die Darstellung Chinas in einem Bericht des estnischen Auslandsnachrichtendienstes. Dieser würde, so die Botschaft, „Ignoranz, Vorurteile und eine Mentalität des Kalten Krieges“ spiegeln. Sie forderte die Behörde auf, ihre „falschen Äußerungen“ zu korrigieren. Der estnische Außenminister Urmas Reinsalu lehnte dies ab.
Diese Fälle reihen sich ein in Einschüchterungspraktiken, zu denen unter anderem auch die Ablehnung von Visa für Kritiker Chinas gehören. Beijing bestärkt seit einiger Zeit seine Botschafter im Ausland, mit „Kampfgeist“ gegen kritische Ansichten über China vorzugehen, die der Regierung in Beijing nicht genehm sind.
In Europa sorgen die teils harschen Reaktionen der chinesischen Botschafter derzeit noch für Ablehnung. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass auf lange Sicht diese Taktiken erfolgreich sein könnten und so manchen von allzu offener Kritik an China abhält, auch wegen befürchteter Repressionen Beijings gegen ausländische Unternehmen.
While such actions may be damaging China’s image in the eyes of European audiences, in the longer term there is a danger that the tactic could succeed in discouraging individuals from publicly criticizing China. By getting topics it deems sensitive removed from public discussions, the Chinese party-state might prove effective at inhibiting free debates on China abroad.
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Innenpolitk, Gesellschaft und Medien
Reporter des „Wall Street Journal“ bekommen Chinas Wut über „Rassismus“ zu spüren
In chinesischen Medien häufen sich zurzeit Berichte, die Kritik an China und dem chinesischen Volk in ausländischen Medien auf Rassismus und Diskriminierung zurückführen. Die Begründungen für diese Vorwürfe sind mitunter vage und dienen offenbar auch dem Zweck, von Schwächen der chinesischen Regierungsarbeit abzulenken. Für drei Journalisten des “Wall Street Journal“ wirkte sich dieser Trend jedoch konkret aus: Nach Veröffentlichung eines Kommentars unter dem Titel „China ist der wirkliche kranke Mann Asiens“ Anfang Februar, verwies China die in Beijing ansässigen Korrespondenten des Landes.
Auch das deutsche Magazin “Der Spiegel“ wurde von der chinesischen Botschaft in Berlin heftig kritisiert wegen einer Titelgeschichte unter der Überschrift „Made in China“, welche die Auswirkungen über die Corona-Epidemie auf den Welthandel untersuchte. Beide Artikel trafen in China offenbar einen Nerv und sorgen für Diskussionen über verantwortungsvolle Berichterstattung über die Coronavirus-Epidemie.
Tatsächlich häufen sich offenbar in mehreren Staaten gezielte Angriffe auf und Beleidigungen gegen Chinesen und Personen asiatischer Abstammung. Zum Teil verbreiten sich aber auch Falschinformationen: In chinesischen sozialen Medien kursierte zum Beispiel eine – nie bestätigte – Meldung über eine tödlich verunglückte Touristin: Diese wäre vor eine Tram gestoßen worden, weil sie eine Maske trug und chinesisch aussah, wurde in den Berichten behauptet.
Hinter der Ausweisung der drei Journalisten des „Wall Street Journals“ verbergen sich womöglich aber ganz andere Motive als der Protest gegen wahrgenommenen Rassismus: Kürzlich hatten die USA fünf chinesische parteistaatliche Medien als „ausländische Missionen“ kategorisiert, was deren Arbeit in dem Land erschweren dürfte. Der Begriff „Der kranke Mann Asiens“ ist zwar historisch belegt und umstritten. Andererseits haben chinesische Medien selbst Ägypten auch schon als den „Kranken Mann des Nahen Ostens“ beschrieben. Es ist auch zu vermuten, dass die kritische Berichterstattung der Reporter des „Wall Street Journals“ über sensible politische Themen die chinesischen Behörden zu den Ausweisungen veranlasste. Diese hatten zum Beispiel über die Familie von Staats- und Parteichef Xi Jinping berichtet.
Internes Dokument enthüllt weitere Details über Kontrolle von Minderheiten in Xinjiang
Mitte Februar ist erneut ein Dokument an die Öffentlichkeit gelangt, welches das Ausmaß der Überwachung und willkürlicher Internierungen von Angehörigen der uigurischen Minderheit in Xinjiang sichtbar macht. Das mehr als 130 Seiten umfassende Dokument enthält persönliche Angaben von mehr als 2000 Menschen aus dem Kreis Karakax im Südwesten der Autonomen Region. Die Liste gibt Aufschluss über die willkürlichen Gründe für die Inhaftierung von Menschen, darunter alltägliche religiöse Gewohnheiten und Bräuche, Verletzung der „Geburtenplanungspolitik“ oder das Anklicken von Links auf ausländischen Websites.
In dem Dokument werden für 300 der Aufgelisteten auch Empfehlungen ausgesprochen, ob sie Personen nach einem Jahr aus ihrer Haft entlassen werden sollen. Es wurde den Berichten zufolge aus unbekannter Quelle internationalen Medien zugespielt.
Die Lokalregierung in Xinjiang und parteistaatliche Medien wiesen die Berichte der westlichen Medien scharf zurück. Sie warfen „terroristischen Kräften“ und China-feindlichen Forschern vor, es absichtlich in falsche Zusammenhänge zu stellen und Fakten verdreht zu haben. Beijing weist die Vorwürfe zurück, Minderheiten in Lagern zu internieren, sondern spricht von „Berufsbildungszentren“, die der Bekämpfung von religiösem Extremismus und Separatismus dienen.
Die Echtheit des Dokuments wurde den Medienberichten zufolge unter anderem durch im Ausland lebende Angehörige von darin genannten Betroffenen bestätigt. Ende 2019 hatten die sogenannten „China Cables“ für Schlagzeilen gesorgt, welche schriftliche Beweise für Pekings Rolle in der systematische Überwachung und Inhaftierung ethnischer und religiöser Minderheiten in Xinjiang lieferten. Internationale Experten schätzen die Zahl der Inhaftierten in der Provinz auf mehr als eine Million Menschen.
MERICS-Analyse: Blogpost von Januar 2019 über die Berechnung der Inhaftiertenzahlen in Xinjiang.
Kurz gemeldet
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Wirtschaft, Finanzen und Technologie
Chinas Wirtschaft soll wieder ans Laufen kommen
Während das Coronavirus auch Europa erreicht hat, ganze Städte in Italien lahmgelegt und dazu führt, dass Grenzkontrollen eingeführt werden, ermutigt die chinesische Führung zu einer Normalisierung. Sie fordert ihre Landsleute auf, die Arbeit wieder aufzunehmen und Restriktionen für Unternehmen und Reisende zu lockern. In der Annahme, dass der Ausbruch bereits eingedämmt ist, sollen die meisten Unternehmen bis Ende März wieder normal arbeiten können.
In seiner Rede am Sonntag hatte Staats- und Parteichef Xi Jinping angekündigt, dass China seine Wirtschaftsziele dieses Jahr trotz des Virus erreichen wolle. Er appellierte an Parteikader im ganzen Land, dafür zu sorgen, dass die Unternehmen ihre Arbeit wieder aufnehmen, indem sie einen „präzises Vorgehen“ anwenden, das sich an den jeweiligen Ansteckungsrisiken orientiert.
Der Staatsrat und lokale Beamte drängen seitdem Firmen dazu, ihre Produktion wieder hochzufahren, um einen weiteren Schaden für die Wirtschaft zu vermeiden. Lokalregierungen haben die Bedingungen gelockert, unter denen Fabriken wieder öffnen dürfen. Nach Informationen des Transportministeriums sind von den etwa 300 Millionen Wanderarbeitern in ganz China rund 80 Millionen bereits zu ihrer Arbeitsstätte zurückgekehrt, weitere 120 Millionen werden bis Monatsende zurück erwartet und weitere 100 Millionen werden ab März zurückkehren.
Erstmals seit Ausbruch des neuartigen Coronavirus in China gibt es nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mehr neu gemeldete Fälle außerhalb Chinas als in der Volksrepublik selbst. Zahlreiche Provinzen haben ihre Maßnahmen zur Eindämmung der Epidemie abgeschwächt. Einige Lokalregierungen organisieren Transporte, um Arbeiter zurückzuholen. Da Millionen Firmen in ganz China ums wirtschaftliche Überleben kämpfen, sind diese Lockerungen hoch willkommen.
Anhaltende Vorsicht ist jedoch auch weiterhin erkennbar: so dürfen viele Angestellte von zu Hause arbeiten, und es gibt weiterhin Gesundheits- und Sicherheitskontrollen lokaler Regierungen, um sicher zu stellen, dass Arbeitsplätze desinfiziert werden, alle Arbeiter über Atemschutzmasken verfügen und regelmäßig ihre Temperatur gemessen wird.
MERICS-Analyse:
„Beijing geht ein kalkuliertes Risiko ein. Niedriges Wirtschaftswachstum bedeutet sehr düstere Aussichten für China. Andererseits wäre es auch ein Desaster, wenn die Krankheit sich weiter ausbreitet. Da Xi Jinping sich persönlich so eingebracht hat, muss die chinesische Führung sich wirklich sicher sein, dass sie das richtige tut.“ Maximilian Kärnfelt, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei MERICS.
Coronavirus-Ausbruch hat drastische wirtschaftliche Folgen
Der Ausbruch des Coronavirus hat bereits drastische wirtschaftliche Folgen: In der Woche bis zum 21. Februar war die chinesische Wirtschaft laut einer Analyse von “Bloombergs Economics” erst zu 50 bis 60 Prozent wieder angelaufen. Der asiatische Finanzdienstleister “Nomura” senkte seine Prognose für das BIP-Wachstum im ersten Quartal auf 3 Prozent gegenüber 6,4 Prozent im Vorjahr.
Die Coronavirus-Krise hat die wirtschaftliche Aktivität im Land gelähmt und auch den Finanzsektor und internationalen Handel erfasst. Staats- und Parteichef Xi Jinping ordnete makroökonomische Maßnahmen an, die weitere Schäden verhindern sollen. Die chinesische Zentralbank hat seit Anfang des Jahres knapp vier Billionen CNY bereitgestellt, um die Wirtschaft zu stabilisieren und nun angekündigt, die Mindestreserveanforderungen und den Referenzeinlagensatz zu senken. Die Banken- und Versicherungsaufsicht (CBIRC) fordert geringere Finanzierungskosten für Kleinstunternehmen.
Dass das Coronavirus Anfang des Jahres ausgebrochen ist, könnte es einfacher machen, die wirtschaftlichen Schäden abzufangen und das Wachstum wieder auf Kurs zu bringen. Im ersten Quartal erwirtschaftet China durchschnittlich nur 21,6 Prozent seines BIPs. Eine Lockerung der Geld- und Finanzpolitik wird Risiken in ein bereits anfälliges Finanzsystem einbringen, Druck auf Wechselkurse ausüben und die Inflation erhöhen.
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Im Profil
Furchtloser Jurist nach Kritik an Obrigkeit in Haft
Seit Jahren schon ist Xu Zhiyong (许志永) als furchtloser Kritiker der Staatsmacht im Visier der Behörden – nun ist er nach der Veröffentlichung eines Artikels über den nach seiner Ansicht verfehlten Umgang der chinesischen Führung mit der Corona-Epidemie erneut in Gewahrsam genommen worden. Der promovierte Jurist und Bürgerrechtsaktivist rief in einem Anfang Februar veröffentlichten Schreiben (Englische Übersetzung) den mächtigen Staats- und Parteichef Xi Jinping zum Rücktritt auf.
Xus Kritik glich einem Rundumschlag gegen die Herrschenden in Beijing, den sich im heutigen China kaum jemand traut: Vertuschung des Ausmaßes der Corona-Epidemie in China, falscher Umgang mit den Protesten in Hongkong und Versagen im Handelskrieg mit den USA. Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten: Am 15. Februar wurde der 46-Jährige festgenommen.
Xu stammt aus der Provinz Henan, wo er 1973 geboren wurde. Er promovierte 2002 an der Beijing Universität und wurde Dozent an der juristischen Fakultät der Beijinger Universität für Post- und Fernmeldewesen. In dieser Zeit begann auch sein politisches Engagement: 2003 wurde er als unabhängiger Kandidat in den lokalen Volkskongress des Bezirks Haidian gewählt, kämpfte gegen Ungerechtigkeit und Machtmissbrauch.
Öffentliche Aufmerksamkeit erlangte Xu, als er im selben Jahr mit zwei weiteren Anwälten durch eine Petition an den Nationalen Volkskongress erfolgreich die Abschaffung einer besonderen Art von Verwaltungshaft erzielte, nachdem der junge Hochschulabsolvent Sun Zhigang durch Misshandlungen im Polizeigewahrsam gestorben war. 2005 war Xu Mitbegründer des Instituts „Offene Verfassung“, das sich für rechtliche und politische Reformen einsetzte. 2009 geriet Xu, der phasenweise sogar Rückendeckung staatlicher Stellen genossen hatte, selbst unter Druck und wurde kurzzeitig in Gewahrsam genommen.
2012 gründete Xu mit weiteren Mitstreitern die „Neue Bürgerbewegung“, ein landesweites Netzwerk von Bürgerrechtlern und Aktivisten. In einem offenen Brief an Xi Jinping kritisierte er die verfehlte Minderheitenpolitik in Xinjiang und Tibet und rief zum Kampf gegen Korruption auf. Wegen seiner Aktivitäten wurde er 2013 zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Die Corona-Krise hat ihn offenbar bewegt, sich lautstark kritisch zu äußern. Für diese Furchtlosigkeit muss er nun womöglich einen hohen Preis zahlen.