Housing project under construction in Hefei.
MERICS Briefs
MERICS China Essentials
8 Minuten Lesedauer

Zentrale Arbeitskonferenz zum Finanzsektor + Sicherheitspolitischer Dialog China-USA + KI-Konferenz

Top Thema

Xi signalisiert Entschlossenheit im Kampf gegen Verschuldung

Xi Jinping und andere chinesische Spitzenpolitiker haben bei der nur alle fünf Jahre stattfindenden Zentralen Arbeitskonferenz zum Finanzsektor ihre Entschlossenheit hervorgehoben, systemische Risiken in Chinas Wirtschaft zu bekämpfen. Dazu zählen allen voran die Verschuldung des Immobiliensektors und der Kommunen. Alle sieben Mitglieder des Ständigen Ausschusses des Politbüros nahmen an dem Treffen am 30. und 31. Oktober in Beijing teil. Unterstrichen wurde dort auch die zentrale Rolle der Kommunistischen Partei Chinas (KPC) im Finanzsektor.

Chinas Probleme beim Schuldenabbau sind seit der letzten Konferenz 2017 gewachsen. Schon damals hatte Chinas Führung die Eindämmung finanzieller Risiken als zentrales Anliegen definiert. Die Bilanzen der Lokalregierungen haben sich in den vergangenen Jahren jedoch verschlechtert. Gründe sind geringere Steuereinnahmen, der Abschwung auf dem Immobilienmarkt und hohe Ausgaben während der Coronapandemie.

Währenddessen verschärft sich auch die Krise in Chinas Immobiliensektor weiter, weil Verkäufe, Investitionen und die den Bauträgern verfügbaren Mittel in diesem Jahr weiter zurückgegangen sind. Bereits im Vorjahr waren diese teils stark eingebrochen.

Die diesjährige Konferenz zeigt die Gratwanderung Beijings zwischen einer Schuldenspirale und wirtschaftlich schmerzhaften Zahlungsausfällen. Bei dem Treffen wurde ein nachhaltiger Mechanismus gefordert, um Verschuldungsrisiken von Kommunen in den Griff zu bekommen und die Schuldenstruktur auf allen Regierungsebenen zu verbessern. Außerdem versucht Chinas Führung, eine Balance zwischen der Finanzierung hochwertiger Immobilienprojekte und der Minderung von Risiken zu finden.

Ein weiteres Thema auf dem Treffen war die Rolle des Finanzsystems bei der Förderung wissenschaftlicher und technologischer Innovationen, der Fertigungsindustrie, umweltfreundlicher Technologien sowie kleiner und mittlerer Unternehmen. Um Firmen in diesen Bereichen einen besseren Zugang zu Kapital zu verschaffen, will Beijing die regulatorische Aufsicht über Börsengänge lockern.

MERICS-Analyse: „Auf der Zentralen Arbeitskonferenz zum Finanzsektor hat Beijing sich entschlossen gezeigt, finanzielle Risiken abzubauen", sagt MERICS-Experte Alexander Brown. „Konkrete Lösungen hat die chinesische Führung bislang aber nicht vorgelegt. Um die Verschuldung zu verringern, wären umfassende Reformen erforderlich, die es den Kommunen ermöglichen, höhere Einnahmen zu erzielen. Das würde auch bedeuten, einen Teil der Ausgaben auf die Zentralregierung zu verlagern."

Medienberichte und Quellen:

METRIX

1.000.000.000.000

Staatsanleihen in der Höhe von einer Billion CNY hat die chinesische Legislative zur Ausgabe in den letzten drei Monaten des Jahres 2023 freigegeben. Die Summe von umgerechnet 130 Milliarden EUR steht lokalen Regierungen für Wiederaufbauprojekte nach Naturkatastrophen und für den Katastrophenschutz zur Verfügung. Die Mittel entsprechen etwa zwei Prozent der gesamten Einnahmen der Lokalregierungen und werden vor allem katastrophengefährdeten Gebieten wie der Region Beijing-Tianjin-Hebei zugutekommen. Auch Chinas Wirtschaft insgesamt dürfte in den kommenden Monaten davon profitieren, ohne dass die Kommunen durch zusätzliche Schulden belastet werden. (Quelle: CNBC)

Themen

China offen für Wiederaufnahme des sicherheitspolitischen Dialogs mit USA

Die Fakten: Erstmals seit 2019 hat das Xiangshan-Forum, die wichtigste chinesische Sicherheitskonferenz, wieder in Person in Beijing stattgefunden. China signalisierte auf dem Treffen Interesse an einer Wiederaufnahme des sicherheitspolitischen Austauschs mit den USA. Dieser war vor etwa einem Jahr ausgesetzt worden. Anstelle des entlassenen Verteidigungsministers Li Shangfu hielt der stellvertretende Vorsitzende der Zentralen Militärkommission, Zhang Youxia, die Hauptrede auf dem Forum. Er betonte die Notwendigkeit einer Verbesserung der Beziehungen zwischen den USA und China im Verteidigungsbereich, hob aber auch die Partnerschaft Chinas mit Russland hervor. In martialischer Sprache kritisierte er die Aktivitäten der USA im Südchinesischen Meer und im Zusammenhang mit Taiwan. Generalleutnant He Lei von der Volksbefreiungsarmee (VBA) sorgte für Aufsehen, als er eine Anwendung von Gewalt gegen Taiwan „legitim und gerecht" nannte.

Der Blick nach vorn: China hat durch das Aussetzen der Kommunikation mit dem US-Militär nach dem Besuch der damaligen Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, in Taiwan vor mehr als einem Jahr das Risiko einer Eskalation in der Region erhöht. Beijing scheint das erkannt zu haben, wirft aber zugleich den USA weiter vor, die Kommunikation mit der VBA zu verweigern. Das Xiangshan-Forum ist eine wichtige Plattform für Beijing, Ansichten und Prioritäten im Bereich internationale Sicherheit darzulegen. In diesem Jahr lag der Schwerpunkt auf Russland und dem globalen Süden. Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu war Ehrengast – ein deutliches Zeichen, dass Beijing an der Unterstützung für Moskau und seiner Sichtweise der USA als größtem Rivalen festhält.

MERICS-Analyse: „Wenn Beijing die Kommunikation mit den US-Streitkräften wieder aufnehmen möchte, ist das eine gute Nachricht", sagt MERICS-Expertin Helena Legarda. „Eine entsprechende Vereinbarung könnten Chinas Präsident Xi Jinping und sein US-Kollege Joe Biden beim APEC-Gipfel in San Francisco Ende des Monats verkünden. Ob es dazu kommt, wird jedoch von anderen, noch heikleren Fragen abhängen, darunter die Unterbindung von Einfuhren von Chemikalien zur Herstellung von Fetanyl aus China in die USA".

Medienberichte und Quellen:

Beijing und Washington diskutieren auf Londoner Konferenz über Risiken von KI

Die Fakten: Es war eine wichtige Woche für die Technologie-Diplomatie. Sowohl China als auch die USA unterzeichneten Anfang November auf dem KI-Sicherheitsgipfel in London zusammen mit 27 weiteren Ländern die Bletchley-Erklärung zur KI-Sicherheit. Chinas Delegation wurde von Wu Zhaohui angeführt, Vizeminister für Wissenschaft und Technologie. Die Unterzeichner verpflichteten sich zur Zusammenarbeit bei der Erforschung von Risiken von fortschrittlichen KI-Modellen und Maßnahmen zur Risikominderung. Die sogenannten großen Modelle des maschinellen Lernens entsprechen den bzw. übertreffen die Fähigkeiten von Modellen wie GPT-4 und bergen potenziell Gefahren für die Gesellschaft.

Der Blick nach vorn: Wochen vor dem Gipfel veröffentlichte die chinesische Cyberspace-Verwaltung ihre „Globale Initiative zur KI-Regulierung“. China will sich als konstruktiver Akteur positionieren, während zugleich die USA den Zugang chinesischer Unternehmen zu KI-relevanten Chips weiter einschränken. Zwischen den chinesischen Regierungsbehörden gibt es offenbar einen internen Wettbewerb, wer in der KI-Diplomatie den Ton angibt. Deshalb ist unklar, ob dem britischen Gipfel eine konkrete Zusammenarbeit mit China folgen wird. Das Ministerium für Wissenschaft und Technologie, das China in Bletchley vertrat, befasst sich nicht mit der Prüfung von Algorithmen, Modelltests oder Zertifizierungen.

MERICS-Analyse: „Die Teilnehmer haben ein gemeinsames Interesse, die Sicherheitsrisiken einzudämmen, die mit leistungsstarken großen Sprachmodellen verbunden sind. Die britische Regierung hat den kleinsten gemeinsamen Nenner für den Gipfel gewählt, um Staaten mit sehr unterschiedlichen Interessen und Wertesystemen an einen Tisch zu bringen", sagt MERICS-Expertin Rebecca Arcesati. „China hat weitgehende KI-Regulierung einführt, zugleich wetteifern seine Unternehmen um die Freigabe fortschrittlicher Modelle. Andere Regierungen müssen ein Interesse daran haben, diese Bemühungen zu verstehen. Angesichts des Technologie-Wettbewerbs ist es jedoch fraglich, ob China und die USA in Fragen der KI-Sicherheit zusammenkommen."

Medienberichte und Quellen:

Li Keqiangs Tod wird zum Anlass für Ausdruck subtiler Kritik

Die Fakten: Nach dem plötzlichen Tod des früheren Regierungschefs Li Keqiang beherrschten in China schnell nur offizielle Erklärungen den öffentlichen Raum. Die Zensoren erhielten Anweisung, „überschwängliche Kommentare" zu löschen. Li vermied als Politiker die Kontroverse und zählte zu den weniger einflussreichen Regierungschefs in Chinas jüngerer Geschichte. Dennoch wurde er in den sozialen Medien als Wirtschaftsliberaler und Wahrheitsverkünder gelobt, der von Xi Jinping an den Rand gedrängt worden sei. Ein Jahr nach den Protesten gegen Chinas Null-Covid-Politik kontrollierten Chinas Sicherheitskräfte streng sämtliche öffentliche Versammlungen, um zu verhindern, dass die Trauer in Proteste umschlägt.

Der Blick nach vorn: Für viele Chinesen symbolisiert Lis Tod das Ende der Ära von Reform und Öffnung. Zahlreiche Trauernde besuchten das Haus, in dem Li aufgewachsen ist, sowie das Dorf seiner Vorfahren in der Provinz Anhui. Trotz der wachsamen Augen der Zensoren und Sicherheitsbehörden nutzen Bürger immer wieder Jahres- oder Festtage oder auch den Tod prominenter Politiker, um Kritik zum Ausdruck zu bringen. Kurz nach Lis Tod waren in Shanghai junge Leute in Halloween-Verkleidungen zu sehen, die auf politische Themen anspielten. Sie verkleideten sich etwa als Pu der Bär – mit dem Xi oft verglichen wird – und zogen Schutzkleidung aus der Corona-Zeit an. In der subtilen Kritik drückt sich Unzufriedenheit über wirtschaftliche Probleme, hohe Jugendarbeitslosigkeit und staatliche Willkürmaßnahmen in der Pandemie aus.

MERICS Analyse: „Lis Tod wird nicht die gleiche Dynamik entfalten wie der Tod von Hu Yaobang, der 1989 die Tiananmen-Proteste auslöste", sagt Alexander Davey, Analyst bei MERICS. „Die Kommunistische Partei hat sowohl online als auch offline Kontrollsysteme aufgebaut, es wird deshalb immer schwieriger, Unzufriedenheit auszudrücken. Die jüngsten Ereignisse zeigen jedoch, dass die Menschen immer noch kreative Wege finden, um die offizielle Linie herauszufordern und ihren Anliegen Gehör zu verschaffen."

Medienberichte und Quellen:

MERICS China Digest

Von der Leyen: EU-China Gipfel findet im Dezember in Beijing statt (Politico)

Wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in einer Rede ankündigte, werden sie und EU-Ratspräsident Charles Michel im Dezember nach Beijing reisen. Es ist das erste persönliche Treffen in dem Format seit vier Jahren. (23/11/06)

Sorge um geplante Änderungen von Gesetz über Staatsgeheimnisse (South China Morning Post)

Inmitten wachsender geopolitischer Spannungen wurde vergangene Woche ein Entwurf für die Überarbeitung des Gesetzes an den Ständigen Ausschuss des Nationalen Volkskongresses übergeben. Viele Details sind noch unklar, es werden weitreichende Änderungen erwartet, was bei ausländischen Unternehmen für Besorgnis über die Bedingungen der Geschäftstätigkeiten in China sorgt. (23/10/20)

Uighurischer Filmemacher wirft Behörden Folter vor (The Guardian)

Ikram Nurmehmet gibt an, er sei während seiner Haft in Xinjiang gefoltert und zu einem falschen Geständnis gezwungen worden. Der 32-Jährige steht wegen “Separatismus” und “Terrorismus” vor Gericht.  (23/11/08)

Hikvision nennt „Mitarbeiter-Fehler“ als Grund für Sammlung von Daten ethnischer Minderheiten (IPVM)

Das chinesische Überwachungskamera-Unternehmen hat einen Mitarbeiter dafür verantwortlich gemacht, dass Daten zu ethnischen Minderheiten in seiner neuen Software auftauchen. Hikvision behauptet, Technologien zum Erkennen von Minderheiten seit 2018 eingestellt zu haben. (23/11/08)