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MERICS Briefs
MERICS China Essentials
9 Minuten Lesedauer

Trump, die EU und China + Verstoß gegen Exportkontrollen + Jüngstes Konjunkturpaket

Top Story

Raus aus dem Panikmodus: Europa muss Trump ein transatlantisches Abkommen zu China machen

Von Abigaël Vasselier

Mit der Wahl von Donald Trump ins Weiße Haus wird die wirtschaftliche und strategische Konfrontation zwischen den USA und China eskalieren, und Europa könnte zwischen die Fronten geraten. Trump hat den außenpolitischen Hardliners Marco Rubio zum Außenminister und Mike Waltz zum nationalen Sicherheitsberater ernannt. Die Personalentscheidungen deuten darauf hin, dass die USA die in Europa erhofften Sicherheitsgarantien durch die NATO in Frage stellen und die Generierung wirtschaftlichen Wohlstands durch fortgesetzten Handel mit China nicht tolerieren dürften.

China wird die veränderte Situation nutzen, um die transatlantischen Partner weiter zu spalten – mit dem bekannten Argument, die Europäer könnten sich nicht auf die USA verlassen und müssten strategische Autonomie anstreben. In den kommenden Monaten dürfte China auf europäische Staats- und Regierungschefs zugehen, das Geschäftsumfeld für europäische Unternehmen verbessern und sogar Investitionen in Europa in Betracht ziehen. 

Beijing hat bereits Bereitschaft signalisiert, mit Europa an der Umsetzung des Pariser Klimaabkommens zu arbeiten. Dass China angesichts der erwartbaren Verschlechterung im Verhältnis mit den USA auf Europa setzt, ist nicht neu, aber nun dürften sich die Angebote weiter konkretisieren. Die von Trump avisierten Zölle könnten den Handel zwischen den USA und China entkoppeln. Zunehmende Spannungen könnten zudem den direkten Austausch zwischen den Menschen weiter verringern. Die USA dürften zudem ihre militärische Präsenz im Indopazifik ausweiten – auf Kosten ihrer Sicherheitsverpflichtungen gegenüber Europa.

Beijing hat sich auf eine zweite Amtszeit von Trump vorbereitet. Rhetorisch wird Chinas Regierung darauf setzen, den USA die Verantwortung für die sozioökonomischen Herausforderungen im eigenen Land und für regionale Krisen mit potenziell global negativen Folgen zuzuschieben. Der Kommunistischen Partei Chinas könnte es gelingen, die eigenen Bürger durch den Verweis auf die externen Bedrohungen zu mobilisieren. 

Beijing wird wahrscheinlich auch Maßnahmen ergreifen, um die eigenen Unternehmen vor ausländischer Konkurrenz zu schützen, etwa durch die Förderung der inländischen Produktion, die Reduzierung von Importen und die Einschränkung der Geschäftstätigkeit von US-Unternehmen in China. International wird sich China verstärkt als Alternative zu den USA, als Partner für Europa und als Freund des globalen Südens präsentieren.

Mögliche auf Europa gerichtete US-Zölle und die Frage, wie handlungsfähig die NATO künftig noch sein kann, dürfte perspektivisch die transatlantische Diskussion über China bestimmen. Europa sollte nach der Trump-Wahl keinesfalls in den Panikmodus schalten. Es gilt, den USA ein neues transatlantisches Abkommen zum Umgang mit China zu unterbreiten. Europa sollte Wirtschaftsabkommen anbieten, um den Handel in bestimmten Sektoren wie kritischen Materialien zu fördern. Es muss entscheiden, wie es mit der technologischen Verflechtung mit China umgehen will, und wie es angesichts der sich auf den Indo-Pazifik verschiebenden Prioritäten der USA stärker selbst militärische Lasten besser verteilen könnte. Für die Trump-Regierung dürfte es angesichts der engen wirtschaftlichen Verflechtung mit China schwierig werden, ihren isolationistischen Kurs durchzusetzen. Deshalb wird sie in ihrer Außenpolitik auch mit Blick auf die eigenen Wähler und die Erwartungen der Mittelschicht im eigenen Land die europäischen Märkte nicht ignorieren können.

MERICS-ANALYSE: „Die EU darf nicht in Panikmodus verfallen. Sie muss ein Angebot an die Trump-Regierung entwickeln, in dem China eine Schlüsselrolle zukommt“, sagt Abigaël Vasselier, Leiterin Policy and European Affairs am MERICS. „Die EU muss sich auf eine andere China-Politik unter Trump als unter der Regierung Biden einstellen. Und China wird Europa Avancen machen, welche die europäische Einigkeit auf die Probe stellen könnten.“

Medienberichte und Quellen:

Themen

Nach Verstoß gegen Exportkontrollen für KI-Chips droht Verschärfung der Regeln durch USA

Die Fakten: Die Bemühungen der USA, den Verkauf fortschrittlicher Halbleiter nach China einzuschränken, haben einen Rückschlag erlitten, als ein weiter entwickelter Chip des taiwanischen Unternehmens TSMC in einem KI-Prozessor von Huawei gefunden wurde. Der chinesische Konzern steht auf der so genannten „Entity List“ der US-Regierung und unterliegt damit Exportbeschränkungen. Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters erteilte der nicht auf der Liste geführte chinesische Chipdesigner Sophgo den Auftrag für den im Prozessor gefundenen Chip. Obwohl Sophgo jegliche Geschäftsbeziehungen mit Huawei bestritt, wies die US-Regierung TSMC an, die Lieferungen fortschrittlicher Chips an sämtliche chinesische Kunden auszusetzen.

Der Blick nach vorn: Unter den geltenden US-Exportkontrollen ist der Verkauf fortschrittlicher Chips und Anlagen zur Chipherstellung an solche Unternehmen erlaubt, die nicht auf der Entity List stehen. Diese Lücke scheint es Huawei ermöglicht zu haben, die Chips über Umwege zu beziehen. Die US-Kontrollen sind nur dann wirksam, wenn Hersteller wie TSMC ihre Kunden prüfen. Da die derzeitigen Exportkontrollvorschriften offenbar nicht ausreichen, um China den Zugang zu fortschrittlichen Chips zu verwehren, könnten die USA die Regeln verschärfen, insbesondere bei der Erteilung von Verkaufslizenzen.

MERICS Analyse: „Wie Huawei die Exportkontrollen der USA umgehen konnte, ist derzeit nicht im Detail nachvollziehbar. Dies allein zeigt die Unzulänglichkeiten der aktuellen Maßnahmen auf,“ sagt MERICS-Expertin Wendy Chang. „Dieser schwerwiegende Verstoß gegen die Exportkontrollen könnte ein Wendepunkt für die USA sein. Anstelle des aktuellen gezielten Ansatzes könnte der Verkauf von Chips und Geräten an alle chinesischen Unternehmen verboten werden. Dies wäre eine starke Eskalation des Technologie-Konflikts zwischen den USA und China – mit erheblichen Auswirkungen für Halbleiter- und Gerätehersteller weltweit.“

Medienberichte und Quellen:

Jüngster Stimulus stellt Eindämmung von Finanzrisiken über Wachstumsimpulse

Die Fakten: Der Nationale Volkskongress hat am Freitag ein Konjunkturpaket in Höhe von zehn Billionen CNY (1,3 Billionen EUR) angekündigt, vor allem, um Finanzrisiken auf regionaler Ebene zu verringern. Das Paket ist das jüngste in einer Reihe von Maßnahmen zur Stabilisierung der Wirtschaft – darunter auch Zinssenkungen und Unterstützung für den einbrechenden Immobilienmarkt. Regionale und kommunale Regierungen sollen in den nächsten fünf Jahren ihre Schuldenprobleme angehen können. Allein sechs Billionen CNY sind vorgesehen, um höhere Schuldengrenzen für Kommunen zu finanzieren, zusätzlich vier Billionen CNY stehen für Kommunalanleihen zur Verfügung. Viele Kommunen sind wegen sinkender Steuereinnahmen, insbesondere durch den Rückgang von Grundstücksverkäufen und Immobiliensteuern, finanziell stark unter Druck. Das Finanzministerium in Beijing hat weitere Konjunkturmaßnahmen in Aussicht gestellt, wovon – so die Hoffnung – Verbraucher und Wirtschaftswachstum profitieren könnten.

Der Blick nach vorn: Anleger reagierten auf die Ankündigung daher mit Skepsis, die Aktienmärkte in Shanghai und Hongkong fielen. Denn es ist unklar, ob die Maßnahmen reichen, um den wirtschaftlichen Herausforderungen zu begegnen, insbesondere im Hinblick auf den angeschlagenen Immobiliensektor und die schwache Verbrauchernachfrage. Mit dem Paket werden die dringendsten Schuldenrisiken für Lokalregierungen angegangen, doch perspektivisch müssen diese wieder mehr Spielräume erhalten, um über ihre eigenen Haushalte wachstumsfördernd zu wirken. Weitere finanzielle Anreize zur Stärkung des Konsums – etwa durch Steuersenkungen oder Direktzahlungen – lassen auf sich warten. Beijing dürfte schrittweise weitere Unterstützungsmaßnahmen einleiten, um auch 2025 das Wirtschaftswachstum zu stützen.

MERICS Analyse: „Die Regierung in Beijing will die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit stärken, indem sie sich auf strukturelle Schwachstellen konzentriert, wie z.B. die Verschuldung der Kommunen“, sagt MERICS-Chefökonom Max J. Zenglein.  „Hoffnungen auf ein Ankurbeln des Konsums werden weiterhin enttäuscht. China fokussiert bei der Neukalibrierung seiner Wirtschaft auf langfristige Ziele zur Stärkung der industriellen Basis – auch in Erwartung steigender externer Spannungen mit einer künftigen US-Regierung unter Donald Trump.“

Medienberichte und Quellen:

China geht neue Wege zur Erhöhung der Geburtenrate

Die Fakten: Chinas Staatsrat hat neue Maßnahmen zur Unterstützung von Geburten und Familien vorgestellt, denn Chinas schrumpfende Erwerbsbevölkerung könnte das Wirtschaftswachstum und das Sozialversicherungssystem auf Jahrzehnte beeinträchtigen. Das umfassende Paket erweitert den Versicherungsschutz und die Gesundheitsversorgung von Eltern und fügt steuerliche Anreize und Unterstützungsmaßnahmen für Kinderbetreuung, Bildung und Wohnen hinzu. Die Verbesserung des Arbeitsumfelds durch Elternzeit und Betreuungstage ist ebenfalls Teil des Pakets. Die Ein-Kind-Politik wurde bereits ab 2014 schrittweise aufgehoben. Es folgten neue Anreize zur Erhöhung der Geburtenrate und Familiengründung, bislang mit wenig Erfolg. 2024 ist die Zahl der eingetragenen Eheschließungen – Voraussetzung für den Zugang zu den meisten Familienleistungen – erneut gesunken. Die Kommunistische Partei Chinas hat zudem Propagandakampagnen zur Förderung von Eheschließungen und Familiengründungen gestartet. 

Der Blick nach vorn: Lokale Regierungen spielen eine Schlüsselrolle in den Bemühungen um eine Erhöhung der Geburtenrate, doch ihre Ressourcen sind begrenzt. Einige bieten finanzielle Anreize für Geburten oder Eheschließungen. Es bleibt abzuwarten, ob die neuen Maßnahmen junge Paare überzeugen, mehr Kinder zu bekommen in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit und sich ändernder sozialer Einstellungen, insbesondere bei Frauen. Berichten zufolge rufen manche Lokalbehörden sogar bei Frauen an und fragen ab, ob diese schwanger sind oder eine Schwangerschaft planen. Die Stadt Lüliang in der Provinz Shanxi kündigte an, eine Datenbank für unverheiratete Menschen einzurichten, um individuelle Eheberatung anzubieten und „jungen Menschen zu helfen, eine positive Perspektive auf Ehe, Familie und Geburt zu entwickeln“. 

MERICS Analyse: „Für Chinas langfristige Entwicklung wird es immer wichtiger, Antworten auf den schellen demografischen Wandel zu finden. Deshalb verstärkt die Regierung ihre Anstrengungen zur Erhöhung der Geburtenzahlen“, sagt MERICS-Expertin Christina Sadeler. „Um Ergebnisse zu erzielen, könnten lokale Kader versucht sein, Maßnahmen zu verfolgen, die stärker ins Privatleben eingreifen – eine Taktik, die wahrscheinlich nach hinten losgehen wird.“

Medienberichte und Quellen:

Metrix

Metrix

100.000+

Mehr als 100.000 Radfahrer sind nach Anbruch der Dunkelheit am 8. November über 50 Kilometer von Zhengzhou nach Kaifeng in der Provinz Henan gefahren. Die Behörden hoffen nun vermutlich, dass damit der Höhepunkt einer von vier Studierenden begonnenen Bewegung erreicht ist, die an einem Juniabend mit Leihrädern in die alte Kaiserstadt fuhren, um die bekannten Guantangbao (mit Suppe gefüllte Teigtaschen) zu essen. Anfänglich wurde die Aktivität zur Stärkung des regionalen Tourismus von offizieller Seite noch unterstützt. Mit steigenden Teilnehmerzahlen stiegen die Bedenken um Verkehrschaos, Abfallberge und zurückgelassene Leihräder – sowie um das Potential für unwillkommene politische Äußerungen. Die Behörden ließen inzwischen sogar Fahrradwege sperren, schränkten den Bewegungsradius von Sharing-Fahrrädern ein und verschärften Ausgangsregeln für Studierende. Einige der Radfahrer kündigten an, die 50 Kilometer zum Teigtaschen-Essen in Kaifeng künftig zu laufen. (Quelle: BBC, NYT

News Digest

MERICS China Digest

Ein Mann fuhr mit seinem Auto in ein Sportzentrum in Zhuhai und tötete 35 Menschen (Guardian)

Kurz nach dem Vorfall am Montag, dem tödlichsten Massenmord seit zehn Jahren, wurden Online-Suchen zu diesem Ereignis stark zensiert, in den sozialen Medien veröffentlichte Videos vom Tatort gelöscht und frühe staatliche Berichte aus dem Internet entfernt. Erst als die Polizei am Dienstagabend ihren Bericht veröffentlicht hatte, erschienen Meldungen in den staatlichen Medien und die Nutzer sozialer Medien konnten freier über das Ereignis diskutieren. (13.11.2024)

Die nächste EU-Außenbeauftragte: China muss für die Unterstützung Russlands in der Ukraine „höhere Kosten“ tragen (Guardian)

Die designierte EU-Außenbeauftragte und ehemalige estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas sagte, China müsse „höhere Kosten“ tragen, wenn es Russland im Krieg gegen die Ukraine unterstütze. Sie sprach in einer dreistündigen Anhörung vor dem Europäischen Parlament, bevor sie ihr Amt antrat, und nannte den Sieg der Ukraine als Priorität – deutlichere Worte als die vagen Unterstützungsbekundungen einiger EU-Politiker. (12.11.2024)

Mit China in Verbindung stehende Hacker haben Überwachungsdaten von Telekommunikationsunternehmen gestohlen, so US-Behörden (Reuters)

Laut einer gemeinsamen Erklärung des FBI und der US-amerikanischen Cyber-Aufsichtsbehörde CISA haben sich die Hacker Zugang in die Netzwerke „mehrerer Telekommunikationsunternehmen“ verschafft und Anrufprotokolle von US-Kunden gestohlen sowie Kommunikationsdaten „einer begrenzten Anzahl von Personen, die hauptsächlich in Regierungs- oder politische Aktivitäten involviert sind“. (13.11.2024)

Hong Kong Watch-Bericht enthüllt transnationale Unterdrückung im digitalen Raum Hongkongs (HK Watch)

Der Bericht zeigt, dass sich Verletzungen digitaler Rechte in Hongkong negativ auf andere Rechte und Freiheiten in der Stadt ausgewirkt haben. Da die digitale Welt traditionelle Grenzen überschreitet, betreffen die Verstöße in Hongkong zunehmend Hongkonger im Exil und digitale Werkzeuge spielen eine immer größere Rolle bei der transnationalen Unterdrückung. (05.11.24)