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MERICS Briefs
MERICS China Essentials
9 Minuten Lesedauer

Handelskrieg USA-China + Energiesektor + Tech-Regulierungen

Top Thema

China trotz wirtschaftlicher Schwäche für Handelskrieg mit USA gerüstet

Der Handelskrieg zwischen den USA und China ist diese Woche weiter eskaliert. China befindet sich heute jedoch in einer anderen Position als bei der ersten Konfrontation mit Präsident Donald Trump im Jahr 2018. 

Auf die von Trump erhobenen zusätzlichen Zölle in Höhe von zehn Prozent auf alle Importe aus China reagierte Beijing selektiv mit Abgaben von 15 Prozent auf Flüssiggas und einige Kohlearten sowie zehn Prozent auf Rohöl, Landmaschinen und Autos aus den USA. Die Maßnahmen ergänzen bestehende Zölle aus Trumps erster Amtszeit (25% auf sämtliche Einfuhren aus China), der Biden-Regierung (100% auf chinesische Elektrofahrzeuge, 50% auf Solarpaneele und 25% auf E-Auto-Batterien, kritische Mineralien, Stahl, Aluminium, Gesichtsmasken und Bord-Land-Kräne) sowie Chinas 25-prozentige Zölle auf Waren aus den USA (mit Ausnahmen).

Die Reaktion Chinas zeigt, wie sehr sich der Handelskrieg heute von früheren Phasen unterscheidet. Ab 2018 lieferte sich China ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit den USA, indem es die Zölle anteilig anpasste. Dieses Mal erhöhte China den Einsatz mit 15 Prozent gegenüber den zehn Prozent der USA, deeskalierte aber, indem es nur auf bestimmte Produkte abzielte. Beijing greift bei seinen Vergeltungsmaßnahmen auf ein in den vergangenen Jahren ausgefeiltes Instrumentarium zurück. Dazu gehören auch kartellrechtliche Maßnahmen gegen US-Technologiefirmen (siehe auch Beitrag unten in dieser Ausgabe).

Das Vorgehen Beijings spiegelt auch positive Auswirkungen von zwei der wichtigsten politischen Initiativen von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping: Die Innovationsstrategie „Made in China 2025“ und die „Neue Seidenstraße“ (BRI). Im Rahmen von Made in China 2025 förderte Beijing unter anderem Landmaschinen und Elektrofahrzeuge. Die erfolgreiche Industriepolitik in diesen Sektoren hat Chinas Bedarf an Importen dieser Produkte aus den USA verringert. Und die Verfügbarkeit qualitativ hochwertiger Alternativen aus chinesischer Produktion macht höhere Preise aufgrund der Zölle unwahrscheinlicher. 

Aufgrund von im Rahmen der Neuen Seidenstraße getroffenen Kooperationsvereinbarungen sind auch Zölle auf LNG, Kohle und Rohöl aus den USA aufgrund der BRI weniger spürbar. China hat seine Energiequellen stark diversifiziert, indem es Infrastrukturen aufgebaut und Verträge mit Energieversorgern in Russland, Zentralasien, dem Nahen Osten, Afrika und Lateinamerika abgeschlossen hat. Ein Risiko könnten indes bestehende Verträge mit US-Energieversorgern bergen, die über längere Zeit laufen. 

Jacob Gunter, Lead Analyst, MERICS: „Beijing hat sich auf Trumps Rückkehr vorbereitet, und die Bemühungen um Eigenständigkeit und Diversifizierung haben China widerstandsfähiger gemacht. Chinas Wirtschaft geht es heute deutlich schlechter als zur Zeit der ersten Zollerhebungen 2018. Auch seine Exportwirtschaft steht vor Herausforderungen, weil zahlreiche Handelspartner angesichts der Preisverzerrungen infolge der chinesischen Industriepolitik und Überkapazitäten besorgt sind.“

Medienberichte und Quellen:

METRIX

501 Millionen

Das ist die Zahl der registrierten Reisebuchungen während der 8-tägigen Neujahrsferien in China. Sie liegt um 20 Prozent höher als 2019, dem Jahr vor der Coronapandemie, welche die Reiseaktivitäten massiv verringerte. Allerdings gaben die Menschen im Schnitt nur 168,9 CNY (ca. 22,40 EUR) pro Tag aus, nominell weniger als 176,9 CNY vor der Pandemie – inflationsbereinigt ist das Niveau ungefähr gleich. Chinesinnen und Chinesen geben zwar wieder Geld für Reisen aus, sind dabei aber zurückhaltend. (Quelle: CNN

Thema

China will mit Zöllen auf US-Energieimporte Partnerschaften und eigene Widerstandskraft stärken

China erhebt seit dieser Woche Zölle in Höhe von 15 Prozent auf bestimmte Arten von Kohle und Flüssigerdgas (LNG) sowie zehn Prozent auf Rohölimporte aus den USA. Die Regierung ist offenbar mehr darauf bedacht, die eigene Widerstandsfähigkeit und Eigenständigkeit zu stärken, als den USA in einem Handelskrieg maximalen Schaden zuzufügen. Die neuen Zölle traten am 10. Februar in Kraft. Am selben Tag versammelte der „China Council for the Promotion of International Trade“ Führungskräfte von 32 heimischen Unternehmen zu einem viertägigen Austausch mit Kasachstan, um Möglichkeiten der Zusammenarbeit bei Öl und Gas sowie sauberer Energie zu beleuchten. Am selben Tag kündigte Russland einen Besuch Xi Jinpings in Moskau am 9. Mai an, wo dieser an den Feierlichkeiten zum Ende des Zweiten Weltkriegs teilnehmen wird. Xi und Russlands Präsident Wladimir Putin dürften bei dem Treffen auch russische Öl- und Gaslieferungen an China und die gemeinsame Entwicklung der Atomkraft besprechen.

Der Technologiewettstreit mit den USA hat China bewegt, noch stärker in die heimische Hightech-Forschung und -Entwicklung zu investieren, auch bei Energie-Projekten wie der Kernfusion. Beijing dürfte die aggressive Zollpolitik von US-Präsident Trump zum Anlass nehmen, noch konsequenter eigene Schwachstellen zu beseitigen. Die USA sind zwar nicht unter Chinas wichtigsten Lieferanten für fossile Brennstoffe, könnten aber versuchen, dessen Schwachstellen als weltgrößter Energieimporteur auszunutzen. Am 8. Februar verhängte Washington Sanktionen gegen ein Netzwerk von Einzelpersonen und Tankern, die angeblich dabei helfen, große Mengen iranischen Öls nach China zu verschiffen – eine Erinnerung an den größten Kunden des Iran, dass auch diese Energiequelle schwerer zugänglich werden könnte. Trump hatte China vor dem Kauf von iranischem Öl gewarnt. Die USA würden, „in diesem Land Geschäfte zu machen“. Er drohte mit Einfuhrzöllen „von 100 Prozent oder mehr“.

Grzegorz Stec, Leiter des MERICS-Büros in Brüssel: „Die neuen Zölle auf Energieimporte aus den USA sind an Chinas Ziel ausgerichtet, seine Energiesicherheit zu verbessern und erneuerbare Energiequellen im Land sowie Importe aus befreundeten Staaten auszuweiten. Beijing geht es nicht darum, den USA den größtmöglichen Schaden zuzufügen. Die Zölle sind vielmehr ein politisches Signal an chinesische Akteure, die Stärkung der eigenen Widerstandsfähigkeit – auch für Chinas Außenpolitik – zur Priorität zu machen. An den Reaktionen Beijings auf weitere etwaige Zölle seitens der USA lassen sich aus perspektivisch Rückschlüsse auf seine Ziele ziehen."

Medienberichte und Quellen:

China nutzt im Handelskonflikt Regulierungslücken im US-Tech-Sektor

China setzt im eskalierenden Handelskonflikt mit den USA nicht nur auf defensive Maßnahmen wie Zölle, sondern auch auf Kartellrechts- und Cybersicherheitsuntersuchungen, Sanktionen und Ausfuhrkontrollen. Ermittlungen gegen US-Unternehmen in China wegen kartellrechtlicher Verstöße könnten sich als besonders wirkungsvoll erweisen. Die USA haben seit Anfang der 2000er Jahre keine der geltenden kartellrechtlichen Vorschriften gegen ihre Technologieunternehmen durchgesetzt. US-Unternehmen konnten dadurch unbehelligt Monopolstellungen aufbauen, wie zum Beispiel Microsoft, das seinen eigenen Browser fest in seinem Betriebssystem integrierte. Auf die von Trump beschlossenen Zehn-Prozent-Zölle auf chinesische Waren reagierte Beijing mit der Überprüfung der Monopolstellung von Google-Werbediensten in China. Berichten zufolge erwägt Beijing auch eine Untersuchung gegen Apple. Darüber hinaus haben Chinas Behörden das US-Bekleidungsunternehmen PVH Group und das Biotechnologieunternehmen Illumina auf die Liste nicht vertrauenswürdiger Unternehmen gesetzt. Für Mineralien, die für Elektronikprodukte benötigt werden, gelten neue Ausfuhrkontrollen. Als Reaktion auf US-Ausfuhrkontrollen hatte  Beijing schon Ermittlungen gegen den Tech-Giganten Nvidia eingeleitet. Der Speicherchip-Hersteller Micron musste sich einer Cybersicherheits-Untersuchung  unterziehen.

China hat in den letzten Jahren  seine Kartellrechts- und Cybersicherheitsvorschriften verschärft und hat damit Instrumente geschaffen, die es selektiv gegen bestimmte Unternehmen einsetzen kann. China kann so mehrere Ziele gleichzeitig verfolgen. Dazu gehören Druck und Vergeltungsmaßnahmen auf geo- und industriepolitischer Ebene ebenso wie Druck auf einzelne internationale Unternehmen, Forschung und Entwicklung nach China zu verlagern oder bei ihren Regierungen für Kooperation mit China zu werben. 

Antonia Hmaidi, Senior Analystin bei MERICS: „Chinas Arsenal, um den US-Handelsmaßnahmen zu begegnen, geht weit über traditionelle Zollmaßnahmen hinaus. Vor allem setzt es ‚weiche' Instrumente wie Antimonopolregeln ein. US-Tech-Unternehmen sind durchaus ein geeignetes Ziel für kartellrechtliche Ermittlungen, denn die USA haben ihre eigenen Regeln über die Jahre hinweg nur lax durchgesetzt und ihre Technologieriesen mit monopolistischem Verhalten davonkommen lassen."

Media coverage and sources:

Finanzierungsstopp von USAID als Chance für China

Seit Washington vergangene Woche die Mittel für USAID und einige Programme des Außenministeriums eingefroren hat, springt China in die von den USA hinterlassene Bresche und bietet punktuell seine Unterstützung an, zum Beispiel in humanitären Hilfsprojekten von Nepal bis Kolumbien. Mit einem Budget von 65 Milliarden Dollar war USAID 2023 der größte internationale Geber.  Die Behörde leistete nicht nur Hilfe für die Ukraine und unterstützte zahlreiche von Konflikten oder Naturkatastrophen betroffene Länder. Die USA finanzieren seit langem zivilgesellschaftliche Gruppen, die zu Demokratie und Menschenrechte arbeiten. Auch kleinere Organisationen, die Informationen über Themen wie Zensur, Arbeitsrechte und die Rechte ethnischer Minderheiten über China bereitstellen, sind von Washingtons plötzlichem Finanzierungsstopp betroffen.

Beijing wird zwar nicht alle US-Initiativen ersetzen wollen, könnte aber selektiv Lücken füllen, wenn es im eigenen Interesse ist. Chinesische Hilfeleistungen und Investitionen, die nicht an Bedingungen geknüpft sind, könnten autoritäre Regierungen stärken. Die Unterstützung für lokale zivilgesellschaftliche Gruppen weltweit dürfte hingegen deutlich schrumpfen, wenn nicht die EU und andere liberale Demokratien erhebliche Mittel mobilisieren. Eine Reihe von Organisationen, die im Bereich Menschenrechte und Demokratieförderung in China arbeiten, befinden sich in einer existenziellen Krise, zumal neben USAID auch andere öffentliche Geber in den USA von Mittelkürzungen oder -überprüfungen betroffen sind. Viele waren bereits zuvor unterfinanziert, da öffentliche und private Mittelgeber ihr Engagement wegen des chinesischen Gesetzes zur Regulierung ausländischer NGOs vom Jahr 2017 zurückgefahren haben.  

Katja Drinhausen, Leiterin des MERICS-Programms Innenpolitik und Gesellschaft: „Durch den abrupten Wegfall der USAID-Hilfen sind die Empfänger in Hochrisikoregionen und Arbeitsfeldern in einer äußerst schwierigen Situation. Beijing wird den strategischen Raum sicherlich nutzen, um China als den humaneren und verlässlicheren Partner zu positionieren – zumindest dort, wo es seinen Interessen entspricht."

Medienberichte und Quellen:

MERICS China Digest

China will Errungenschaften in der KI teilen, sagt Vizepremier auf Pariser Gipfel (Reuters)

Vizepremier Zhang Guoqing vertrat China auf dem KI-Gipfel in Paris zu Beginn dieser Woche. Er erklärte, sein Land sei bereit, mit Partnern zusammenzuarbeiten, um Sicherheit zu gewährleisten, Errungenschaften auf diesem Gebiet zu teilen und „eine Gemeinschaft mit einer gemeinsamen Zukunft für die Menschheit“ aufzubauen. (25/02/11)

Chinesische Unternehmen versuchen mit juristischen Drohungen, ausländische Forschung zu stoppen (The New York Times) 

Einem Bericht der New York Times zufolge haben Forscher aus den USA, Europa und Australien rechtliche Drohungen von chinesischen Unternehmen erhalten, die deren Forschungstätigkeit zu China behindern sollen. (25/02/11)

Alibaba kooperiert mit Apple bei der Entwicklung von KI-Funktionen (South China Morning Post)

Der chinesische Internet- und E-Commerce-Gigant Alibaba ist eine Zusammenarbeit mit dem US-amerikanischen Tech-Riesen Apple eingegangen. Gemeinsam möchten die Unternehmen Funktionen der künstlichen Intelligenz für iPhones in China entwickeln, zitiert die South China Morning Post eine mit der Angelegenheit vertraute Quelle. (25/02/11)

Exklusiv: Chinas Rekordfusionen bei kleinen Banken bergen Risiken (Reuters)

Mindestens 290 kleine Banken im ländlichen China wurden im vergangenen Jahr fusioniert, wie eine Reuters-Auswertung offizieller Daten ergibt. Viele der Finanzinstitute wurden von Chinas Wirtschaftsabschwung und der Krise im Immobiliensektor hart getroffen. Experten warnen davor, dass die Bemühungen Beijings, die Risiken in diesem Sektor zu bekämpfen, große Risiken bergen. (25/02/12)

Call for applications

MERICS European China Talent Program 2025

Das MERICS European China Talent Program (ECTP) wird auch in diesem Jahr rund 15 angehende Expertinnen und Experten aus ganz Europa zum Austausch über China versammeln. Die diesjährige Ausgabe findet vom 1. bis 4. Juli in Berlin statt. Bewerbungen sind bis zum 30. März möglich. Weiterlesen