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Kommentar
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Xis Aufruf zum „gemeinsamen Wohlstand“ leitet neue Phase von Populismus, staatlicher Regulierung und Intervention ein

Der Begriff „gemeinsamer Wohlstand“ (共同富裕) ist seit langem Teil der Sprache und Ideologie der KPC. Unter Xi Jinping erleben der Begriff und die damit einhergehende ideologische Bewertung der Wirtschaftspolitik aber ein Comeback. In der Wortwahl spiegelt sich auch Xis erklärtes Ziel wider, eine „sozialistische Gesellschaft“ aufzubauen. Die Grundlagen für diese politische Rückbesinnung wurden in den letzten Jahren gelegt, nachdem die Partei ungezügelte Marktmechanismen und Spekulation zunehmend mit Sorge beobachtete. Ausufernde Immobilienpreise, die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich und steigende Bildungskosten drohten die wirtschaftlichen Erfolge der Partei zu unterlaufen.

Zwar hat die KPC offiziell verkündet, die extreme Armut im Jahr 2021 beseitigt zu haben. China steht jetzt jedoch vor der Herausforderung eines wachsenden Wohlstandsgefälles. Der jüngste Politikwechsel zielt darauf ab, die Ungleichheit zu bekämpfen, die sich während der Coronapandemie noch weiter verschärft hat. Die KPC hofft, mit ihrer neuen Linie ihren Rückhalt in der Bevölkerung zu erhöhen, ihre Legitimität unter Arbeitern und in der Mittelschicht zu sichern und auch ihre ideologische Macht zu festigen.

Die KPC nutzt Xis Aufruf zum „gemeinsamen Wohlstand“ auch, um die Kontrolle über den Privatsektor und erfolgreiche Unternehmer zu verstärken. Chinas Privatunternehmen sind 2021 zunehmend unter Druck geraten, insbesondere die Technologiefirmen, die von vermögenden Unternehmern geleitet werden. Die Behörden werfen ihnen etwa Verstöße im Zusammenhang mit der nationalen Sicherheit vor, außerdem Monopolbildung und schlechte Arbeitsbedingungen.

Offensichtlich versucht die KPC, die „marxistische Lenkung“ der Wirtschaft zu stärken und scheint dabei den Privatsektor insgesamt auf den Prüfstand zu stellen. Um einen Beitrag zur „sozialistischen Gesellschaft“ zu leisten – so wie sie von der KPC angestrebt wird, haben einige führende Unternehmen nun Spenden für wohltätige Zwecke angekündigt. Tencent und Alibaba zum Beispiel haben jeweils 100 Milliarden CNY zugesagt. Um das Problem der Ungleichheit zu lösen, bedarf es jedoch weit mehr als symbolischer Gesten und wiederbelebter Parteislogans.

MERICS-Analyse: „Bislang ist die kampagnenartige Umsetzung des „gemeinsamen Wohlstands“ in erster Linie ein politisches Signal“, sagt Max J. Zenglein, Chefökonom bei MERICS. „Es gibt keine schnellen Lösungen für das Problem der ungleichen Verteilung von Einkommen und Wohlstand. Erforderlich wären institutionelle Veränderungen, einschließlich einer Reform des Haushaltsregistrierungssystems, der Besteuerung und der Umverteilung von Vermögen. Die Politik hat sich aber hauptsächlich auf den privaten Sektor konzentriert, darunter prominente und milliardenschwere Gründer. Die KPC wird nun darauf achten müssen, diese Unternehmen und Unternehmer nicht zu sehr zu verschrecken. Schließlich braucht China seine privaten Unternehmen, um Wirtschaftswachstum und Innovation zu fördern.“

Medienberichte und Quellen:

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Aktualisiert am 10. September 2021