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Chinapolitik nach der Bundestagswahl: Auch das „Wie“ zählt

Die neue Bundesregierung wird sich nicht nur fragen müssen, welche Chinapolitik sie in Zukunft verfolgt, sondern vor allem wie sie diese gestaltet. Eine Frage, die dabei im Zentrum steht: Bleibt Chinapolitik Kanzlerpolitik? 

Kurswechsel oder weiter so? Diese Frage prägt die Debatte zur Zukunft der deutschen Chinapolitik. Die allgemeine Stimmung in Deutschland gegenüber China ist deutlich kritischer geworden. Mittlerweile befürwortet eine Mehrheit einen härteren Kurs gegenüber Beijing, selbst wenn dies die Wirtschaftsbeziehungen beeinträchtigen würde. Der BDI pflegt seit einigen Jahren eine sehr nüchterne Tonlage, wenn es um China geht.

Auch die Wahlprogramme der möglichen Regierungsparteien zeichnen alle ein kritischeres Chinabild. Gerade die Grünen und die FDP – notwendige Königsmacher einer potenziellen Drei-Parteien-Koalition – nehmen eine härtere Haltung ein.

Die Konturen künftiger deutscher China-Politik lassen sich nur schwer erkennen

Aber Wahlprogramme münden nicht automatisch in eine andere Politik. Und selbstverständlich gibt es weiterhin Akteure in Politik und Wirtschaft, die auf den eingefahrenen Spuren deutscher Chinapolitik weiterfahren wollen. Auf der Hand liegt, zumindest oberflächlich, dass die neue Bundesregierung in Sachen China eine neue Sprache sprechen wird. Mit der Formel „Dialog und Härte“ hat die Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, im Wahlkampf bereits versucht, ein neues außenpolitisches Narrativ zu formulieren.

Welche Substanz allerdings hinter einer neuen Sprache der Bundesregierung stecken wird, bleibt unklar. Eine Fortsetzung des Merkel-Kurses mit kühlerer Rhetorik? Oder eine neue strategische Orientierung, die einen Kurswechsel einleitet? Die Konturen zukünftiger deutscher Chinapolitik lassen sich nur schwer erkennen.

Vor der nächsten Bundesregierung stehen zahlreiche chinapolitische Weggabelungen

Dabei wird die nächste Bundesregierung nicht viel Zeit haben, sich zu sortieren. In Sachen China, droht ihr Zugzwang. Olympische Winterspiele in Beijing, Huaweis Beteiligung am 5G Netz, die Fortsetzung der europäischen Xinjiang-Sanktionen – vor ihr stehen zahlreiche chinapolitische Weggabelungen. Um diese Herausforderungen erfolgreich zu navigieren, wird die anstehende Regierungskoalition vorausschauende Entscheidungsprozesse und Koordinierungsstrukturen benötigen. Die Frage, die dabei mit im Zentrum steht, ist: Kann Chinapolitik reine Kanzlerpolitik bleiben?

Eine Regierungskoalition bestehend aus drei unterschiedlichen politischen Parteien – das derzeit wahrscheinlichste Regierungsbündnis – erfordert einen anderen politischen Umgang und Strukturen. Die SPD hat bereits signalisiert, dass diese neuen Verhältnisse eine andere Art von Regieren erfordern, Augenhöhe und Koordination statt Koch und Kellner.

Mehr Abstimmung wird nötig sein. Das könnte auch bedeuten, dass Chinapolitik nicht mehr, auf Kosten des Auswärtigen Amtes, allein aus dem Kanzleramt betrieben wird. Es geht daher nicht nur um die Frage der strategischen Orientierung deutscher Chinapolitik, sondern auch um deren Operationalisierung.

Eine Drei-Parteien-Regierung verspricht eine breitere Aufstellung in der Chinapolitik

Aus den koalitionspolitischen Zwängen und Logiken einer Drei-Parteien-Regierung heraus könnte die Chinapolitik der zukünftigen Bundesregierung noch breiter aufgestellt werden. Dies ist ohnehin eine Notwendigkeit, denn heutzutage betreffen die Beziehungen zu China nahezu jedes Politikfeld. Egal ob Auswärtiges Amt, Wissenschafts-, Umwelt-, Finanz- oder Wirtschaftsministerium – alle kommen mit China in Berührung. Zudem lassen sich geopolitische Entwicklungen auch nicht mehr von anderen Politikfeldern trennen.

Die unterschiedlichen Stränge müssen daher zusammengedacht werden, damit ein umfangreiches Bild und eine kohärente Strategie entstehen. Unter diesen Umständen müsste Chinapolitik aus einem Guss, ganzheitlich, und idealiter europäisch koordiniert werden, und nicht einzeln, verschlossen in verschiedenen Silos aus der Logik der eigenen Ministerien heraus.

Dafür müssen bestehende Strukturen aus- und mögliche neue Strukturen aufgebaut werden. Der Staatssekretärsausschuss zu China, angesiedelt im Auswärtigen Amt, könnte an Dynamik gewinnen. Zudem könnte es sinnvoll sein, neben den Positionen eines Transatlantik- und Russland-Koordinators auch einen China-Koordinator einzusetzen. Wichtig wäre es, Chinapolitik auch ganzheitlich im Rahmen der Indo-Pazifik Strategie zu koordinieren. Auch die subnationale Dimension und die Rolle der Bundesländer und Kommunen sollten im Rahmen einer ganzheitlichen deutschen Chinapolitik stärker Beachtung finden.

Es braucht Personal mit Kompetenzen in der Chinapolitik

Für einen strategisch ausgereifteren Ansatz wäre es auch nötig, Personal mit Kompetenzen im Bereich Chinapolitik auszustatten und aufzustocken. China betrifft heute zahlreiche Ministerien. Um die Chinakompetenz zu stärken, könnten Fortbildungen an relevante Referate angeboten und neues Personal eingestellt werden. Dies betrifft auch die unterschiedlichen Dienste, wie u.a. den Landesämtern für Verfassungsschutz.

Zahlreiche Regierungen bauen derzeit ihre Fähigkeiten aus, Chinapolitik umfassend in all den unterschiedlichen Facetten zu betreiben. Das US State Department beabsichtigt, bis zu 30 neue China Referenten einzustellen und der Auslandsgeheimdienst etabliert ein neues „China Mission Center“. Die niederländische Regierung hat wiederum einen internen Think Tank zu China geschaffen – das China Knowledge Network (CKN) – um entsprechende Expertise in der Regierung zu verankern und Kommunen in ihren Beziehungen zu China zu unterstützen.

Bei der Frage, welche Chinapolitik die nächste Bundesregierung verfolgt, sollte daher nicht die Frage, wie sie diese verfolgt, aus dem Auge verloren werden.

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